Duisburg. .
Wenn gut situierte Wissenschaftler durch die sozialen Brennpunkte des Ruhrgebiets wandeln, dann haben sie sich entweder verlaufen – oder sie sind zu Forschungszwecken gekommen. Für rund 40 Teilnehmer der Exkursionsreihe „Soziologie konkret“, die im Rahmen des fünftägigen Soziologen-Kongresses an den Hochschulen in Bochum und Dortmund stattfand, traf eindeutig Letzteres zu. Auch wenn die verdutzten Gesichter der Kiez-Touristen angesichts der hiesigen Lebenswirklichkeit gelegentlich anderes vermuten ließen.
Nach Stationen in der Dortmunder Nordstadt und den Claudius-Höfen in Bochum bereisten die Sozialwissenschaftler kürzlich auch Teile von Marxloh. Unter dem Motto „Brautkleider, Gebetshäuser und Hochöfen“ besichtigten sie etwa die Merkez-Moschee und besuchten auch einen Alevitischen Kulturverein.
„Wir möchten auf unseren Expeditionen direkt vor Ort spürbar machen, welche Herausforderungen mit den Themen Strukturwandel und Interkulturalität verbunden sind“, erklärte Organisatorin und Promotionsstudentin Karin Hitz. Während also die fast 2000 Kollegen in den Hörsälen theoretischen Vorträgen lauschten, schlichen die Ausflügler auf Socken durch die Gebetshalle, bestaunten die kunstvollen Ornamente und löcherten Gästebetreuer Ahmed Abdulwahed mit akademischen sowie persönlichen Fragen.
Ob er sich von den aktuellen Tendenzen in der deutschen Öffentlichkeit manchmal in seiner religiösen Identität verletzt fühle? „Klar, wir Muslime stehen ständig unter Generalverdacht. Das nervt. Genau aus diesem Grund engagiere ich mich ja auch ehrenamtlich hier und versuche im Dialog mit Interessierten, das Bild des Islams zu korrigieren“, erklärte der sympathische Student.
Noch etwas benommen vom Prunk der Moschee betraten die Besucher anschließend das in einem Hinterhof gelegene Kulturzentrum der Marxloher Aleviten. Dass nicht architektonische Finesse, sondern stets die Herzlichkeit der Gastgeber Brücken baut, bewies dort Umut Güzel, ehemaliger Jugendsprecher der Gemeinde. Freundlich führte er in die Traditionen seiner Religion ein und räumte auch mit Missverständnisse auf: „Die meisten Menschen werfen uns in einen Topf mit den Muslimen, doch wir sind eine eigenständige Glaubensgemeinschaft mit ganz eigenen Bräuchen.“
Gern hätten die Wissenschaftler noch weiter bei traditionellem Tee und Gebäck mit Güzel geplaudert, doch der Zeitplan war straff: Nach einem flotten Spaziergang durch das Hochzeitsparadies an der Weseler Straße ging’s mit dem Bus zur Uni nach Bochum – zur Nachbereitung in den Hörsälen.