Duisburg. .

Es wirkt wie eine andere Welt, nicht bloß, weil am Eingang des Zeltdorfs auf der Mühlenweide in großen Lettern das Wort „Utopia“ prangt. Doch die weißen Tipis und zahlreichen Campingzelte sind größtenteils verwaist, ebenso die Außenwaschanlage. Denn die rund 100 Jugendlichen aus Duisburg und seinen europäischen Partnerstädten, die am Jugend-Kultur-Camp „Crossroutes 51 Degrees“ teilnehmen, arbeiten alle fleißig in diversen Workshops in Ruhrort, am kommenden Freitag soll der Öffentlichkeit ein Gesamtkunstwerk namens „Utopia“ präsentiert werden.

„Ich bin total happy mit unseren Partnern und den Teilnehmern. Alles funktioniert hervorragend, aber das Wetter macht uns echt zu schaffen“, sagt Projektleiterin Christine Bargstedt, die quietschgelbe Gummistiefel trägt. Zelte sind überschwemmt worden, Kleidung will einfach nicht mehr trocknen. Doch die gute Laune ist nicht baden gegangen.

Workshops laufen auf Hochtouren

Im ehemaligen evangelischen Gemeindehaus ist die Schauspielgruppe eingezogen. Gerade wird eine Szene geprobt, die mit dem Kuss eines Liebespaars endet – mehr wird vor Freitag nicht verraten. Wirklich schweißtreibend geht es eine Etage höher zu, dort erarbeiten die Tänzer eine Choreographie mit vielen Hebefiguren. Die einzelnen Gruppen wurden nach Interesse der Teilnehmer zusammengestellt, es sind auch Anfänger dabei. „Es ist anstrengend, auch für jemanden, der das Training gewöhnt ist. Aber es läuft sehr gut“, sagt die 17-jährige Amy Wilson aus Portsmouth, die Tanz studiert. „Es macht Spaß, auch wenn die Muskeln ziemlich beansprucht werden“, ergänzt Emma Hanson.

Im Lokal „Harmonie“ arbeiten die Lyrik- und die Dokumentationsgruppe. Die nackten Wände des Altbaus, an denen man auch das Mauerwerk sieht („Sehr Berlinerisch“, sagt dazu eine Litauerin), ist mit Notizen behangen, in allen Sprachen der Nachwuchskünstler. Kameras drehen Filme, während andere an Computern bereits geschnitten und bearbeitet werden.

Lebensverändernde Erfahrungen

In den Räumen der Ruhrorter Hafenkids sitzen eine Handvoll Mädels um die 25-jährige Litauerin Eglė Sirvydytė, die Leiterin der Musikgruppe, die in ihrer Heimat eine bekannte Sängerin sein soll. „Jeden Tag lernen wir etwas Neues und erleben, wie andere Kulturen das Thema Utopia interpretieren. Trotz aller Unterschiede sind wir alle uns aber auch sehr ähnlich,“ sagt die Britin Sophie Harris. Ihre Gruppenpartnerin Dilara Uçer aus Gaziantep ergänzt: „Wir werden aber auch mit unseren Vorurteilen konfrontiert und bauen sie ab. Dieses Projekt ist eine Erfahrung, die unser Leben verändert.“ Sie werde nie vergessen, wie sie und andere türkische Teilnehmerinnen in der Duisburger Innenstadt „kostenlose Umarmungen“ verteilt hätten. „So haben wir viele Menschen glücklich gemacht, super!“

Diese Begeisterung für das Kulturprojekt wird einhellig geteilt, es sprudele nicht nur die Kreativität, sondern man treffe auch tolle Menschen. Das Gemeinschaftsgefühl sei extrem stark – gemeinsame Parties, Ausflüge oder Wellness-Abende mit Massagen schweißen die Jugendlichen zusammen. Das Reisefieber scheint ausgebrochen: „Du musst mich unbedingt mal besuchen kommen.“ Diesen Satz hört man oft und die Einladungen werden mit Umarmungen akzeptiert.

Vorzeitig aus dem Zeltdorf ausziehen möchte jedoch niemand. Dafür ist die Vorfreude auf die große Show am Freitag viel zu groß.