Duisburg.. An manchen Kindern kann man sich die Zähne ausbeißen. Spectrum Erziehungshilfe setzt am anderen Ende an: Die Pädagogen trainieren Eltern darin, ihre Autorität wiederzuerlangen, eine Beziehung zum Kind aufzubauen.
Sie sind notorische Schulschwänzer, sogar Schulverweigerer. An diesen Kindern kann man sich als Eltern die Zähne ausbeißen. Ein neues Programm stärkt Väter und Mütter mit der „Wiederherstellung der elterlichen Autorität“.
Spectrum Erziehungshilfe heißt die Fachstelle für Elterncoaching, die seit gut einem Jahr in Duisburg arbeitet - zur Zufriedenheit des Jugendamtes, das die Kurse für Eltern von Problemkindern über die Hilfen zur Erziehung bezahlt. Geschäftsführer Marcus Stein ist Sozialpädagoge und langjähriger Familienhelfer. Aus Berlin brachte er das Konzept mit, dass er nach dem Buch „Autorität durch Beziehung“ von Haim Omer und Arist von Schlippe entwickelte.
Eigenes Leben ändern
Bei Spectrum liegen Steine auf dem Boden, sind Steine an die Wand gemalt. Sie tragen Aufschriften mit zentralen Botschaften: konsequent sein, Grenzen setzen, Anforderungen stellen, Widerstand leisten, Aufgaben übergeben. „Das sind Steine, die man den Kindern in den Weg legt und an denen sie wachsen können“, erklärt Koordinatorin Irina Räder. Die Sozialpädagogin trifft regelmäßig auf hilflose Eltern, deren Kind daheim sehr dominant auftritt.
Statt sich aber nun an diesem Kind abzuarbeiten, arbeitet sie an und mit den Eltern. Manche sehen das nicht ein, weigern sich, weil schließlich das Kind die Schule bläut und nicht sie selbst. „Sie sind nicht das Problem, aber die Lösung“, erklärt Räder dann. Der Leidensdruck bei den Kindern sei meist nicht so hoch „Die haben Fernseher, Playstation, einen vollen Kühlschrank“, verdeutlicht Stein. Ändern aber die Eltern ihr Verhalten, ändert es sich auch beim Kind, und das oft schon binnen weniger Wochen, beobachten die Experten. Damit geht es noch nicht wieder zur Schule, aber ein Anfang ist gemacht in der Beziehung zum Kind, eine Tür zur Einflussnahme geöffnet. „Und nach drei Monaten kooperieren die Kids auch wieder“, macht Stein Hoffnung.
Rollenspiele als Training
Deeskalation ist eins der Ziele, das die Pädagogen mit den Eltern einüben. „Man muss nicht auf jede Aktion sofort reagieren, es reicht zu sagen, dass man etwas nicht gut findet und später darauf zurück kommt“, erklärt Stein. Das verschafft Zeit zum Durchatmen, Nachdenken: „Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist“ nennt er diesen Leitgedanken.
Wer bislang bei jedem Streit gleich hoch ging, muss das natürlich trainieren. Das machen Stein und Räder zu zweit, im Schnitt neun Monate lang, zwei Stunden wöchentlich. In Rollenspielen geben die zwei ziemlich überzeugend die renitente Göre oder den rotzfrechen Bengel. „Da sieht man dann genau, wo der Moment ist, an dem man nicht mehr an sich halten kann“, erklärt Räder.
Auch Training für Lehrer
Und dann geht’s mit geeignetem Handwerkszeug weiter. Gewaltloser Widerstand etwa über Sit-Ins im Kinderzimmer nach dem Motto „Wir gehen nicht eher hier raus, bis du uns eine Lösung anbietest.“ Das ist natürlich schneller geschrieben als gemacht, aber eben lernbar, machen die Experten Mut. Mut gehört auch dazu, pubertäre Diskussionsschleifen zu unterbinden. „Einfach mal sagen, ich mach das, weil ich dich liebe und weil ich weiß, dass es richtig ist“, bekräftigt Räder.
Die Erziehungshelfer bieten auch Coaching für Lehrer an, denn der Umgang mit schwierigen Kindern ist kein Studienbestandteil. Diese Probleme seien aber häufig der Grund für einen Burnout, weiß Stein, der Schulen empfiehlt, Netzwerke unter den Lehrern zu bilden und Systeme der Wiedergutmachung einzuführen.
Grenzen der Trainer
Bei allem Gemecker über die pubertären Rabauken ist ein wesentliches Element des Coachings für Eltern wie Lehrer das „Reframing“, mit dem auch wieder positive Dinge wahrgenommen, ausgesprochen werden sollen. Hauptsache, man stellt zu dem Kind wieder eine Beziehung her. Nur damit ist ein Anfang gemacht.
Ihre Grenzen haben die Elterntrainer allerdings auch, etwa bei unbehandelten Depressionen oder bei Drogen konsumierenden Eltern, und überhaupt, wenn keine Bereitschaft zur Kooperation da ist. Die meisten Eltern würden das Training aber als Gewinn sehen, das Einfluss auch auf andere Lebensbereiche hat. „Bei manchen haben sich sogar die Arbeitskollegen gewundert“, erzählt Stein.