Duisburg.

Seit acht Jahren gibt es die Anlaufstelle für Jugendliche und junge Erwachsene „pro kids“ an der Börsenstraße, etwas abseits der Königstraße in der City. Dorthin kommen obdachlose Jugendliche ebenso wie junge Menschen „mit einem Rucksack voller Probleme“, wie Leiter Matthias Beine tagtäglich hautnah erfährt.

Dass es seit einiger Zeit das „Youtel“ in der Kasinostraße in der Altstadt gibt, in dem über ein halbes Jahr junge Erwachsene neben einem Schlafplatz auch eine intensive Betreuung erfahren – dort wird versucht, ihnen „Lust auf Zukunft“ zu machen – ist ein großer Vorteil: „Wenn früher ein Jugendlicher nachmittags um 17 Uhr kam und fragte, ob ich einen Schlafplatz hätte, konnte ich manchmal nicht weiterhelfen. Im ,Youtel’ gibt es jetzt zumindest ein Notbett für solche Fälle.“ Das „Youtel“ bietet 16- bis 25-Jährigen Unterkunft.

Lebensmittelgutscheine vom Jobcenter

Bei „pro kids“, das sich ausschließlich aus Spenden finanziert und keine kommunalen Zuschüsse erhält und ebenso wie das „Youtel“ eine Einrichtung des Diakoniewerks ist, holen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Hilfe. „Viele sind vom Jobcenter mit Sanktionen belegt, weil sie sich trotz Aufforderung nicht gemeldet haben oder Maßnahmen einfach abbrechen. Einige haben überhaupt kein Geld und verlieren dadurch die Wohnung oder können den Strom nicht bezahlen.“ Von „pro kids“ können sie dann wenigstens Lebensmittelgutscheine vom Jobcenter bekommen.

Dass man einige Maßnahmen des Jobcenters auch als „bescheuert“ empfindet, kann der Sozialarbeiter verstehen: „Eine 19-Jährige hat letztens eine Stunde lang Mandalas malen müssen.“ Da fehle nicht nur ihr die Einsicht, was das eigentlich soll.

Nach acht Jahren kam die Einsicht

Andere haben Schulden gemacht, wieder andere sind ohne Schulabschluss und haben so keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt, und wieder andere haben heftige Probleme mit den Eltern gehabt oder ein Heimleben hinter sich.

Ein bei der Eröffnung von „pro kids“ Minderjähriger hat heute noch Kontakt zur Börsenstraße. Immer wieder hatte er Probleme und suchte dort Hilfe. Aber selbst aus dem betreuten Wohnen war er rausgeflogen, weil er sich nicht an die Regeln hielt. „Wir haben in den Jahren eigentlich immer nur das Feuer ausgetreten.“ Jetzt, acht Jahre später, ist bei ihm die Einsicht gekommen, dass es so nicht weitergehen soll. „Pro kids“ stellte langsam wieder eine Verbindung mit der Familie her, ein Verwandter half bei der Jobsuche. „Ich glaube, jetzt hat er es kapiert. Aber manchmal dauert es eben lange bis man auf den Füßen landet.“

"Hier geht es zwanglos zu"

Nicht immer ist es möglich, wieder den Kontakt zur Familie herzustellen oder die Beziehung bricht wieder auseinander. „Es gehört aber zu unserem Konzept, es zumindest zu versuchen. Manchmal tut alleine schon eine räumliche Distanz gut.“ Der „Klassiker“, warum junge Menschen den Kontakt zur Familie abbrechen: Scheidung der Eltern, Streit mit dem Stiefvater oder der Stiefmutter. In Verbindung mit Alkohol und Gewalt keine gute Mischung für Heranwachsende.

Über die Feiertage geschlossen

Dass man an der Börsenstraße Hilfe bekommt, hat sich herumgesprochen. So kam vor einiger Zeit ein junger Mann, der auf der Straße lebt und unter starken Autoaggressionen leidet. Er suchte aber keine neue Bleibe, sondern wollte nur saubere Rasierklingen und Verbandszeug. Hat er natürlich nicht bekommen, dafür stattete Matthias Beine ihn mit einem neuen Schlafsack aus. „Dann ist er wieder weg.“

Das finanzielle Überleben der Einrichtung selbst ist nicht einfacher geworden. Bezahlt werden muss neben der Miete eine Stelle für einen Sozialarbeiter. Acht ehrenamtliche Helfer und Praktikanten umsorgen die jungen Leute so gut sie können. Am Donnerstag gab es eine Weihnachtsfeier mit Krustenbraten, Rotkohl, Salat und Rosmarin-Kartoffeln. Und natürlich ein paar Geschenken. Doch die Feiertage müssen die jungen Leute woanders verbringen. Manche werden in ihrer Wohnung ohne Strom sitzen. Von Heiligabend bis zum neuen Jahr ist „pro kids“ geschlossen.