Duisburg. . Einsamkeit an Weihnachten kann eine Tragödie sein, aber auch ganz bewusst gewollt sein. Der Psychoanalytiker Dr. Peter Schmalz über Vorteile und Warnsignale.

An Weihnachten allein zu sein ist für viele eine Horrorvorstellung. Wo doch das Fest überfrachtet ist mit innigen Familien-Bildern, Heile-Welt-Gedanken und singenden Kindern, die um den Baum tanzen.

„Aber mancher ist inmitten seiner Großfamilie einsamer als jener, der bewusst allein die Feiertage begeht und mit sich selbst in bester Gesellschaft ist“, räumt Dr. Peter Schmalz mit gängigen Klischees auf. Der Psychologische Psychotherapeut und Psychoanalytiker vom Duisburger Bündnis gegen Depression beobachtet seit Jahren, dass Hilfe-Anfragen sich eher nach den Feiertagen mehren, wenn in Familien alte Konflikte aufgebrochen sind, wenn Erwartungen nicht erfüllt, die Ansprüche zu hoch waren.

Das gleiche gilt für Silvester, weil man sich viel zu viel vornimmt: zehn Kilo weniger, nie mehr rauchen und auch noch einen Marathonlauf. Um nicht zu schnell enttäuscht zu werden, plädiert Schmalz zu mehr Toleranz mit sich selbst.

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Nicht an Fernseh-Weihnachtsbildern orientieren

Aber natürlich gibt es sie, die an Weihnachten in Schwermut versinkenden Menschen. Wer gerade eine Trennung erlitten hat, frisch verwitwet ist, leidet an solchen Tagen doppelt. Und hier appelliert Schmalz an die Mitmenschlichkeit: Die Betroffenen können sich in dieser Situation nur schwer selbst helfen. Da wäre es gut, wenn Freunde oder Nachbarn gucken, ob jemand Ansprache oder Hilfe braucht, „damit die Trauer nicht zur Depression, zur völligen Mutlosigkeit wird.“ Ein wichtiger Indikator sei, wenn Menschen still werden, Kontakte abbrechen. „Dann ist ein Signal wichtig, dass man ein offenes Ohr hat und das Gefühl vermittelt, da denkt einer an mich“, weiß Schmalz.

Wer die kommenden Feiertage allein verbringt, dem rät der Experte, sich nicht an den idealisierten Fernseh-Weihnachtsbildern zu orientieren: „Die totale Überhöhung macht es für alle schwer.“

Die Weihnachtszeit allein zu verbringen, werde oft als persönliches Defizit erlebt und nicht als gesamtgesellschaftliches Problem mit der steigenden Anzahl an Single-Haushalten. Sich selbst erlebten viele als Versager, schämen sich, weiß der Experte.

Die Stimmung zulassen

Dabei könne man sich durchaus auf seine eigenen Ressourcen und Stärken besinnen und sich überlegen, was man tun kann, damit einen die plötzliche Leere auf den Straßen nicht wieder kalt erwischt. Denn „schließlich gelingt das Leben außerhalb von Weihnachten auch“, erinnert Schmalz. Konzertbesuche, in die Natur gehen, Single-Reisen planen - Möglichkeiten gibt es viele.

Und auch diese: Die Stimmung zulassen, traurig sein. Das kann entlastend wirken, hilft dabei, Themen abzuschließen und sich der Zukunft zuzuwenden. Als ein „Opfer der Umstände“ sollte man sich jedenfalls nicht betrachten, eher als „Baumeister des eigenen Lebens“, erklärt der Therapeut.

Der Zwang zum sozial erfolgreich sein wird durch soziale Netzwerke wie Facebook noch befeuert. Dabei sei bei Hunderten „Freunden“ der Begriff total ausgehöhlt, glaubt Schmalz. Man müsse manche Begriffe neu definieren, und seine eigenen Maßstäbe anlegen nach der Frage: Was ist gut für mich?

Depression ist heilbar

Diese Ratschläge funktionieren bei emotionaler Labilität, nicht aber bei einer echten Depression. „Wenn alles als sinnlos erachtet wird, Selbstmordgedanken hinzukommen, dann sollte man schnellstmöglich Hilfe suchen“, rät der Experte. Denn Depression ist heilbar, je schneller gehandelt wird umso besser. Sonst könnte eine Chronifizierung drohen.

Weihnachten ist übrigens nicht die Ursache, sondern allenfalls der Auslöser für Depressionen. Statistisch werden die meisten Neu-Erkrankungen allerdings im April und Mai gezählt, zu den Ursachen gibt es verschiedene Theorien.