Duisburg. The Dome, laut RTL2 „Europas größtes Musikevent“, ist keineswegs altersmüde geworden. Obwohl die Konzertreihe am Mittwoch im Theater am Marientor in Duisburg bereits ihre 60. Auflage feierte, ist das Programm ebenso teeniegerecht wie eh und je.

Es scheint, als hätten die knapp 1000 Zuschauer – zumeist Mädchen zwischen 10-16 Jahre alt – beim Kauf der Eintrittskarte eine Vereinbarung unterschrieben, den Fernsehkameras genau die typischen Bilder zu präsentieren, die man von Teeniekonzerten gewohnt ist. Kreischalarm, Kuscheltier-Weitwurf und die eine oder andere Träne wurden zum festen Bestandteil einer Show mit Höhen und Tiefen.

Stunden bevor die Musiker, Taio Cruz, The Boss Hoss, One Direction, Pietro Lombardi, Aura Dione, Culcha Candela usw. die Bühne betraten, harrten schon etwa 150 Fans vor dem Theater aus, um ihren Idolen beim Gang über den roten Teppich ganz nahe zu sein. Wer nicht zur Fan-Fraktion gehört und auch sonst nicht so viel Erfahrung mit in Ekstase versetzten Teenangern hat, der ahnt schon hier was ihm während des Konzerts blüht. Nachbarn, die nichts von dem Spektakel wussten, dürften beim Chor der lauten und hohen Töne erschreckt gedacht haben, dass dort vor dem Theater massenweise Mädchen gequält werden.

Werbeunterbrechungen und Stimmungs-Anpeitscher

Das wunderschöne und abrissgefährdete Theater am Marientor bot einen ungewöhnlichen, aber äußerst stimmigen Rahmen für dieses TV-Spektakel. Und dass es bei „The Dome“ eben in erster Linie um eine Fernsehaufzeichnung geht, das lernten auch die hysterischen Fans schnell. Den Zuschauer im Saal erwarteten völlig zerfahrene vier Stunden. Immer wieder unterbrachen die Moderatorinnen Collien Ulmen-Fernandes und Susan Sideropoulos das aktuelle Geschehen, um die Werbeunterbrechungen anzukündigen, dann sprang ein Stimmungs-Anpeitscher auf die Bühne und ließ nach jeder inszenierten Werbepause einen weiteren Sturm der Begeisterung im Publikum ausbrechen. Schließlich soll es im Fernsehen ja auch so wirken, als würde alles und jeder mit frenetischem Beifall beglückt.

Tatsächlich aber ließ sich klar erkennen, wer bei der Zahnspangenfraktion gerade die Beliebtheitskurve anführt. So mussten die The Dome-Dinosaurier Scooter, die bereits zum 22. Mal für diese Konzertreihe auf der Bühne standen, akzeptieren, dass ihre Musik für viele Fans im Publikum „schon voll alt ist“. Auch das kurze Schwarze der ehemaligen Grand-Prix-Gewinnerin (1972) Vicky Leandros, die zusammen mit den Techno-Musikern auf der Bühne ihren Hit „C’est Bleu“ präsentierte, riss die Zuschauer nicht von den Sitzen. Stattdessen musste man sich bei Frau Leandros sorgen machen, dass sie vor Schreck von den Stufen fällt, auf denen sie während ihres ungewöhnlichen Duetts stand. Bei jedem Knall der Bühnen-Pyrochtechnik, die zu Scooters Auftritten gehören wie die Milch zur Kuh, zuckte die 59-Jährige zusammen.

One Direction sind die neuen Backstreet Boys

Den Kreischpegel trieben dafür ganz andere ins Unermessliche. Die britische Boygroup „One Direction“ sind ganz offensichtlich die neuen Backstreet Boys. Die fünf Jungs von der Insel, die in den UK-Charts Platz 1 belegen, wurden auch in Duisburg ausgiebig gefeiert. Sogar lange nach ihrem Auftritt, als die Pop-Sänger sich Backstage bei einem Teller Nudeln mit Fleischsoße entspannten. Hinter den Kulissen ging alles weitestgehend entspannt und ruhig zu. So telefonierte etwa der Duisburger Polizist und „X-Factor-Finalist“ David Pfeffer in aller Seelenruhe unmittelbar vor seinem Auftritt noch mit jemanden, der ihm scheinbar ein Duett mit Ex-Spice-Girl „Mel C“ anbot. Dem Gespräch nach scheinen aber noch nicht alle Details geklärt zu sein.

Auf der Bühne gab derweil die Multii-Kulti-Combo „Culcha Candela“ Vollgas. Die coolen Berliner mischten den Saal mit ihren Reggae- und Hip Hop-Sounds auf. Auch „Aura Dione“, Dänemarks schöner Musikexport, begeistert mit ihren Auftritten und Outfits. Ob im hautengen Einteiler oder auf schwindelerregenden Absätzen, „diese Frau ist einfach heiß“, fand Christine (15) aus Bochum.

Reden ist nicht Lombardis Stärke

Beim großen Aufeinandertreffen der Casting-Musiker überzeugten vor allem die ehemaligen DSDS- Kandidaten Ardian Bujupi und Pietro Lombardi. Die X-Facot-Finalisten, die zusammen auf der Bühne den Maroon 5-Hit „Moves like Jagger“ interpretierten, wirkten ein wenig müde. Pietro Lombardi, der zugleich auch den ersten „The-Dome-Act-2011-Preis“ bekam, bewies, dass das Reden nicht gerade seine Stärke ist. Auf die Frage, warum sein brandneues Album ein schönes Weihnachtsgeschenk sei, antwortete er: „Ähm. Ich weiß nicht. Hmm, ähm, ja, da is verschiedene Musik drauf, ne.“ Mit seinem Gesang hingegen eroberte der Karlsruher die Herzen der Mädchen im Publikum.

Den ganz großen Auftritt aber hatte ein anderer. Er ist gerade einmal 28 Jahre alt und gehört schon zur Spitzenklasse der internationalen Musikindustrie.  Der britische R&B-Sänger und Songwriter nigerianischer und brasilianischer Abstammung Taio Cruz brachte zusammen mit seinen talentierten Tänzerinnen die Bühne zum Glühen. Für die Fans im Publikum gab es kein Halten mehr. Die Stimmung erreichte ihren Siedepunkt, das Kreischen nahm kein Ende mehr. Wer zum Produktionsteam gehörte und Kopfhörer oder zumindest Ohropax dabei hatte, der schützte sein Trommelfell so schnell wie möglich. Taio Cruz bewies aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch dahinter das er keinerlei Starallüren hat. Wie oft sieht man schon einen „Star“, der seinen Tänzerinnen artig die Getränke an den Tisch bringt.

Am Ende gingen Traurigkeit und „unfassbare Glücklichkeit“ Hand in Hand. Charlotte, Jenny und Marina waren sich jedenfalls einig „Das war der schönste Tag unseres Lebens.“