Duisburg.
In der „blauen Stunde“ ist der Blick vom Dach des Forums auf die Königstraße besonders imposant. Die einsetzende Dämmerung begegnet einem Lichtermeer, das die Innenstadt in einen goldenen Glanz taucht. Scharen von Menschen schieben sich durch die leuchtenden Passagen in der Fußgängerzone, sie lassen sich leiten von Gerüchen und Anblicken, wie es sie nur einmal im Jahr gibt. Es ist das erste Wochenende des Duisburger Weihnachtsmarktes und die Stimmung ist feierlich.
Es ist warm in der Glühweinstube von Doris Süß, eng, aber gemütlich. Von der Decke baumeln Tassen, es riecht nach Glühwein mit einem Hauch von Spirituose. Doris Süß steht hinter der Theke und zieht an dem Zapfhahn des Metalltopfes. Sie hat gute Laune, an diesem Wochenende feiert sie ihr 25-jähriges Standbestehen. „Wir haben mittlerweile Stammgäste, die nur für den Glühwein hierher kommen“, erzählt sie stolz, während sie eine Tasse füllt. Eilig schiebt sie hinterher, warum ihr Stand so besonders sei: „Wir haben einfach den besten Glühwein.“
Zwei Damen auf der anderen Seite der Theke, Mutter und Tochter, stimmen ihr vehement zu. „Wir haben jeden Stand getestet in all den Jahren“, erzählt Petra Papas und wärmt ihre Hände an der dunklen Tasse. „Und sind am Ende wieder hier gelandet.“ Fast ein Dutzend konkurrierender Stände, die allesamt das dampfende Getränk vertreiben, reihen sich entlang der Königstraße. Daneben dominieren vor allem Würstchen- und Reibekuchenstände das Bild.
Anne Breithecker bietet nichts zu essen an. Die 79-jährige Duisburgerin verkauft ihren selbst gebastelten Weihnachtsschmuck, den sie das ganze Jahr über herstellt, produziert mit Liebe zum Detail. „Auf den Markt komme ich eigentlich nur zum Reden“, erzählt Breithecker. Seit „Ewigkeiten“ kenne sie den Markt, hat gute wie schlechte Jahre miterlebt, zuletzt den schrecklichen Sturm, der einen Stand wenige Meter hinter ihrem Stammplatz zerstörte. „Hier trifft man viele Bekannte. Lohnen tut es sich für Hobbykünstler sowieso nicht.“
175 Euro Standgebühren zahle sie pro Woche, das sei in Ordnung. „Drauf zahlen muss ich nicht am Ende“, verrät Breithecker. Den großen Wurf werde sie finanziell aber auch nicht landen, sagt sie, und ihr Gesicht spricht Bände. Eine Woche lang steht sie immer auf dem Markt. Am Mittwoch wird sie das Feld räumen, ein anderer Händler übernimmt dann ihren Stand.
Auch der hintere Teil der Königstraße ist in diesem Jahr auffällig gut gefüllt, viele Marktgänger tragen Einkaufstüten in der einen Hand, etwas Leckeres in der anderen. Erhaben blickt das Riesenrad über die Fußgängerzone, nur wenige Schritte weiter hallen entzückte Schreie durch die Dämmerung: Lachende Kinder tummeln sich auf der Eislauffläche der Stadtwerke, es riecht nach künstlichem Eis. Von außen beobachten Eltern und Großeltern ihren Nachwuchs hin- und hergerissen, freuen oder sorgen sich ob der vollen Fläche.
Am Lifesaver-Brunnen gabelt sich der Markt, es zieht ihn ein kleines Stück in die Düsseldorfer Straße hinein. Doch der Seitenweg ist verwaist, nur vereinzelt stehen hier Buden, kaum ein Passant riecht den Duft des frischen Brotes, das ein Händler hier backt. Auf der Königstraße aufwärts dagegen herrscht Gedränge, vom ersten Stock der Weihnachtspyramide spielt ein älterer Herr geduldig seine Lieder auf einem Akkordeon.
Manuela Gottschlich ist aus Herne gekommen. „Der Weg hat sich gelohnt“, sagt sie fröhlich. Auf dem Dach des Forums steht sie mit drei Freunden zusammen, sie trinken Glühwein und genießen den Markt in seinem schönsten Augenblick: Von oben in der blauen Stunde.