Duisburg. . Der Politikwissenschaftler Prof. Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg-Essen im Interview zur Euro-Krise und dem Vorstoß des griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou ein Referendum in Griechenland abzuhalten. Die Folgen eines negativen Votums wären fatal.

Die Rettung des Euro schien gewährleistet. Erst vergangene Woche einigten sich die Regierungen in Brüssel auf ein größeres Rettungspaket. Der erst kurz davor vereinbarte und im Bundestag beschlossene Rettungsschirm wurde vergrößert. Jetzt scheint alles wieder bei null zu beginnen, weil der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou ein Referendum abhalten will. Das griechische Volk soll über die Sparpakete und die damit verbundenen Tranchen aus dem Rettungsschirm entscheiden. Politikwissenschaftler, Europa- und Griechenland-Experte Prof. Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg-Essen analysiert im Gespräch mit dieser Zeitung die Lage.

Überrascht Sie das Vorhaben von Papandreou?

Axt: „Ja und Nein. Es war nicht auszuschließen, dass die griechische Regierung Dinge tut, die nicht unbedingt in das Konzept der EU passen. Papandreou hat nur noch eine hauchdünne Mehrheit im Parlament. Entweder er geht gestärkt aus einem möglichen Referendum heraus oder er tritt zurück. Die Griechen wollen in der Eurozone blieben, aber die Sparmaßnahmen nicht mehr ertragen.“

Steht die EU vor einer politischen Krise?

Politikwissenschaftler Prof. Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg-Essen
Politikwissenschaftler Prof. Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg-Essen © waz

„Es ist ein Krise der Staaten die überschuldet sind, also eine Verschuldungskrise. Der Euro als Währung ist zwar betroffen, aber nicht in der Krise. Sein Außenwert ist nach wie vor hoch. Die europäischen Staats- und Regierungschefs sind von den Finanzmärkten dennoch unter Druck gesetzt. Um die Märkte zu beruhigen jagt eine Entscheidung die andere. Andernfalls könnte eine akute Ansteckungsgefahr drohen.“

Also „regieren“ die Märkte in Europa?

„Seit der Finanzkrise 2008 steht eine stärkere Bankenregulierung auf der Agenda der Politik. Jetzt geht es aber um die massive Verschuldung südeuropäischer Staaten und um die EU, die ihrerseits wenig dagegen getan hat. Ich würde also nicht von einer ‚Regierung der Märkte’ sprechen.“

Hätte die EU die Schuldenkrise verhindern können?

„Die Europäische Kommission weiß schon lange von der Misswirtschaft ihre Mitgliedsländer. Dass in Griechenland Zahlen und Daten manipuliert wurden, ist auch nicht erst seit Beginn der Krise bekannt. Die EU hat zu lange weggeschaut.“

Jetzt entscheidet wohlmöglich das griechische Volk über Erfolg und Misserfolg monatelanger Rettungsversuche. Wie viel direkte Demokratie verträgt die EU?

„Der Lissabon-Vertrag regelt, dass jeder Mitgliedsstaat das Recht hat, gemäß seiner eigenen Verfassung ein Referendum abzuhalten. Das ist auch gut so. In Griechenland liegen die Hürden dafür allerdings sehr hoch. Das Parlament muss mit absoluter Mehrheit dafür stimmen und nicht der Minister-, sondern nur der Staatspräsident kann ein solches Vorhaben einbringen.“

Welche Folgen hätte es für die EU und die Welt, wenn sich die Griechen gegen das Sparpaket und die damit verbundenen weiteren Tranchen aus dem Rettungsschirm entscheiden?

„Absolut fatale. Für die EU wäre es eine Bankrotterklärung all ihrer bisherigen Bemühungen und für Griechenland ein großer Schritt zurück. Sollten sich die Griechen bei einer möglichen Volksbefragung negativ entscheiden, dann würden die Rufe, Griechenland aus dem Euro zu entlassen, wieder lauter. Das Land ist aber alleine überhaupt nicht konkurrenzfähig und es wäre kein Königsweg zurück zur Drachme zu gehen.“