Brigitte Otto-Lange ist ein Kämpfertyp. Sie hat Herausforderungen gesucht, um sich durchzusetzen und das Leben neu aufzubauen. Es war ein Schock für die heute 57-Jährige, als sie im Alter von 17 Jahren erblindete.
Auch dank Förderungen durch das Deutsche Blindenhilfswerk (DBHW) in Duisburg konnte die willensstarke Frau ihre Ziele erreichen. Sie besuchte die Blindenschule, erlernte die Braille-Schrift. Es folgten weitere blindentechnische Ausbildungen. „Es waren meine ersten wichtigen Schritte, um die Selbstständigkeit zu erhalten.“
Und wie wollte sie ihr weiteres Leben planen? „Ich habe meine Kraft und Energie in den Sport gesteckt, wollte erfolgreich sein.“ Der Trainingsaufwand zehrte an ihren Kräften. Doch der Wille war stark genug. „Aufgeben kam für mich nie in Frage.“ Sie nahm gleich mehrere Stufen auf der Erfolgsleiter. Bei den olympischen Spielen für Behinderte nahm sie 1984 und 1988 je eine Goldmedaille im Diskus- und Speerwerfen mit nach Hause. Im Schwimmen (1980) brachte sie es wie auch im Kugelstoßen (1984) zu Bronze.
„Der Sport gab mir die Kraft, mit meinem Leben zurechtzukommen“, sagt Brigitte Otto-Lange. Denn auch harte Zeiten gab es in ihrem Leben. Sie war erst 18, da kam die Tochter zur Welt, die sie später nach der Scheidung allein erziehen musste.
Die Aufforderung an sich selbst, „ich will es schaffen“, sieht die 57-Jährige bis heute als Lebensfaden. In der Blinden- und Sehbehinderten-Wassersportgemeinschaft Moers stieg die durchtrainierte Athletin aufs Wasser um. Nach Paddel- und Rudererlebnissen belegte sie einen Surfkurs in einem Essener Verein. Das DBHW half bei der Finanzierung. Regelmäßig ist sie bei der europäischen Surfwoche in Belgien dabei.
Reaktionsschnelligkeit ist gefragt, wenn Blinde Wende oder Halse auf dem Brett meistern wollen. Ein begleitender sehender Surfer muss immer dabei sein. Zu einem Problem können extreme Windstärken führen, weiß Brigitte Otto-Lange. „Dann kann ich Kommandos des Begleiters bei möglichen Hindernissen oder Vorfahrtsregeln nicht mehr hören. Und ein mobiles Funkgerät als Hilfsmittel könnte ich nicht bedienen, weil ich beide Hände am Rigg habe.“
Den Sportsegelschein hat Brigitte Otto-Lange auch in der Tasche. Sie ist stolz und zufrieden, dass ihre Vorstellungen, möglichst viel zu erreichen, zur Realität wurden. Es sei dennoch ein Irrtum, zu glauben, als blinder Tausendsassa könne man alles erreichen. Die 57-Jährige sieht sich eher als Ausnahme. Für die meisten sei die Grenze des Machbaren viel früher erreicht. „Für viele ist es schon anstrengend genug, den Tag im Haushalt und draußen beim Einkauf zu meistern.“ Mit ihrem eisernen Willen will Brigitte Otto-Lange Blinde ermuntern, sich mehr Ziele zu setzen und die Energie dazu aufzubringen, sie auch zu erreichen.
Dass Willen und Ausdauer auch ins Rampenlicht führen können, erfuhren 16 Schülerinnen und Schüler der Johanniterschule für Blinde und Sehbehinderte. Sie hätten sich nicht vorstellen können, dass die Tanzpädagogin Ulla Weltike sie zu einer tanzenden Einheit formt, die auf der Bühne bestehen kann. „Das ist eigentlich nichts für Dich“, hatte sich der 16-jährige Fadi zuvor gedacht. Doch er war neugierig, wollte wissen, was dabei herauskommt. Und er war ebenso überrascht wie die anderen: „Wir lernten, im Team zu arbeiten, Rücksicht auf die anderen zu nehmen.“ „Niemand hat den anderen ausgelacht“, war auch Sevda angetan von dem Bühnenerlebnis. Die 18-Jährige ist stolz, mitgemacht zu haben, will jetzt vielleicht ein Instrument erlernen. Aysegül (18) hatte Zweifel, ob die Jungs das hinkriegen. Sie bewundert die Geduld von Ulla Weltike. Bei der Vorstellung im Kleinen Prinzen zum 50-Jährigen des Deutschen Blindenhilfswerks gab’s stürmischen Applaus. Auf der Bühne war die Aufregung vergessen und auch die Jüngsten aus der 5. Jahrgangsstufe zeigten sich absolut tritt- und rhythmussicher. Konrektor Christoph Usler hat bereits das nächste Projekt avisiert: Auf die Jüngeren warten Segelkurse, zwei blinde Schüler sollen an der Tandem-Sternfahrt in Berlin teilnehmen.