Duisburg. .
Diesen Aufenthalt in der Jugendherberge am Kalkweg werden die Schüler und Lehrer der Gemeinschaftshauptschule Erkelenz so schnell nicht vergessen.
67 Sechstklässler und sieben Lehrer waren nach Wedau gereist. Sie trafen dort auf eine Gruppe aus Mülheim mit elf Jugendlichen, die alle zuvor polizeilich in Erscheinung getreten waren und dort an einem Anti-Aggressions-Training teilnehmen sollten. Laut den Erkelenzern soll es zu Bedrohungen, Beleidigungen und weiteren Übergriffen gekommen sein. „Das Schlimmste war aber das Ohnmachtsgefühl, weil wir von der Jugendherbergs-Leitung keinerlei Hilfe bekommen haben“, klagte Lehrerin Eva Baars.
Was war geschehen? Die Erkelenzer Gruppe hatte einen Aufenthalt von Montag bis Mittwoch, 11. bis 13. Juli, gebucht und war per Bus angereist. Bereits kurz nach der Ankunft stellte sich heraus, dass die größtenteils zwölfjährigen Schüler mit den älteren Jugendlichen (14 Jahre) Räume auf demselben Flur belegten.
"Beleidigt, angepöbelt, provoziert"
„Von Beginn an wurde unser Aufenthalt gestört“, berichtet Lehrer Felix Heinz. „Unsere Kinder und wir Lehrer wurden permanent beleidigt, angepöbelt und provoziert – und uns wurde Gewalt angedroht. Das gipfelte darin, dass ein Schüler nachts auf seinem Zimmer Zahnpasta ins Gesicht geschmiert und später mit Glasflaschen aus Fenstern geworfen wurde.“ Die drei mitgereisten Betreuer der Gruppe – ein Mann und zwei Frauen – hätten ihre Schützlinge laut Baars und Heinz nie unter Kontrolle bekommen. „Unsere Kinder hatten schlichtweg Angst“, so Baars. Und in der letzten Nacht bezogen die Lehrer sogar eine Nachtwache vor den Räumen der Schüler, um deren Sicherheit und Schutz zu garantieren. Zum Glück geschah bis zum Morgen der Abreise nichts mehr.
Das Schlimmste: Alle Gesuche um Hilfe blieben ungehört. Einziger Ansprechpartner für die Jugendherberge vor Ort soll laut Felix Heinz eine technische Hilfskraft gewesen sein. „Die Herbergseltern selbst waren nie anwesend.“ Zwar wurde dann zumindest ein telefonischer Kontakt zur stellvertretenden Herbergs-Leiterin hergestellt. Deren einziger Kommentar sei gewesen: „Ich kann da nichts machen.“
Keine Polizei
Weder die Herbergsleitung in Wedau noch der Landesverband Rheinland des Deutschen Jugendherbergswerkes wollten sich auf WAZ-Anfrage zu den Vorfällen äußern. Eine vorzeitige Abreise der Gruppe sei laut Eva Baars nicht möglich gewesen, da der Reisebus erst am Mittwochmorgen wieder in Duisburg war. Die Polizei wurde nicht verständigt, da die Taten nicht konkret einzelnen Personen zugeordnet werden konnten. „Und wir hatten Angst, dass die Situation danach noch mehr eskalieren könnte“, so Baars.
Auch ein persönliches Gespräch mit der stellvertretenden Herbergsleiterin am Mittwoch sei ergebnislos verlaufen. Nach der noch am gleichen Tag formulierten schriftlichen Beschwerde beim DJH-Landesverband meldete sich dessen Geschäftsführer Friedhelm Kamps zwar per Entschuldigungs-Schreiben und kleinen Präsenten für die Schüler. Das reichte den Lehrern aber nicht aus. Sie erhoffen sich durch den Schritt an die Öffentlichkeit, dass „keiner anderen Gruppe mehr so etwas passiert wie uns“.
Anti-Aggressions-Kurs als Prävention
Bei der beschuldigten Jugendgruppe handelte es sich laut Mülheims Stadtsprecherin Anke Degner um die Teilnehmer einer Präventionsmaßnahme, die das Jugendamt der Stadt bereits seit Jahrzehnten anbietet. Dieser Anti-Aggressions-Kurs sei Bestandteil der Jugendgerichtshilfe. Die Teilnahme daran ist für die Jugendlichen, die alle im Alltag normale Schulen besuchen, freiwillig. Ja, diese Jugendlichen seien alle in der Vergangenheit polizeilich aufgefallen, so Degner, „aber es sind keine Intensivtäter“. Und Beschuldigungen wie die der Erkelenzer Gruppe, die dem Jugendamt schriftlich vorliegen, habe es in der Vergangenheit noch nie gegeben.
Das Jugendamt Mülheim will die Vorwürfe genau prüfen. „Wir gehen dem nach“, so Degner. Die drei Begleiter, die im Juli mit der Gruppe in der Jugendherberge waren, sind derzeit aber alle im Urlaub.