Dortmund/Duisburg. Schwarz umrandete Augen, dunkle Kleidung: Gothics können zum Fürchten aussehen - und trotzdem gute Eltern sein. Das weiß auch Sibylle Mörkens. Mit ihrem Mann hat die Dortmunderin die "Gothic-Family.net" ans Netz gebracht. Für alle Familien, die sich etwas abseits der Norm bewegen.
Irgendwann wird es aufhören. Das hat ihr Vater immer gesagt. "Wenn Du heiratest, spätestens wenn Du Kinder hast." Doch es hat nicht aufgehört, nie, bis heute nicht.
Szene- und Familienleben verbinden
Sibylle Mörkens ist mittlerweile 38, zweifache Mutter – und immer noch ein Kind der Nacht. Sie fühlt sich weiterhin der Gothic-Szene zugehörig, mag Konzerte, Festivals und lange Clubabende. "Obwohl die natürlich seltener geworden sind", gibt die Dortmunderin zu. Früher war sie jedes Wochenende unterwegs, inzwischen bleibt sie genauso gern zu Hause bei ihren Söhnen Eric und Robyn und ihrem Mann Stefan. "Grundsätzlich kann man das Szene- und das Familienleben aber durchaus verbinden", sagt die 38-Jährige.
Immer noch nicht "normal"
Sie spricht damit vielen Gothics aus der Seele, die zwar selber älter und Eltern geworden sind, aber immer noch nicht "normal": 800 Familien aus Deutschland und Europa sind mittlerweile bei Gothic-Family.net angemeldet, einer Internet-Community für alle Väter und Mütter, die wie die Mörkens Szenegänger geblieben sind. Sie pflegen einen unkonventionelleren Lebensstil als die Allgemeinheit. Und das kann die nicht immer verstehen. "Gerade in ländlichen Gegenden werden Gothics mit Kindern öfter angepöbelt und angefeindet." Auf GFN finden die so Geschmähten Verständnis und Zuspruch. Denn das Aussehen der schwarz gekleideten und gesinnten Eltern bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie nicht verantwortungsbewusst mit ihren Kindern umgehen können. "Ich sehe das ganz einfach so: Der eine mag Fußball und geht samstags ins Stadion. Und wir haben eben unsere Musik und die Szene", definiert Sibylle.
Vor sechs Jahren hat sie gemeinsam mit Ehemann Stefan – einem ausgebildeten Medienpädagogen – die GFN (Gothic Family.net) ans Netz gebracht. "Wir haben damals Familien gesucht wie wir eine sind", erzählt Sibylle. Die Resonanz war von Anfang an überwältigend. "Zuerst hatten wir eine Newsgroup bei Yahoo, aber die war ganz schnell voll. Deswegen lag es nahe, eine eigene Seite zu bauen."
Werwölfchen und Fledermäuschen
Inzwischen organisiert die Family regelmäßig einen Gothic- und Mittelalter-Szenemarkt im Duisburger Pulp, kooperiert mit bundesweiten Festivals wie dem Amphi in Köln, veranstaltet Silvesterpartys für große und kleine Nachtschattengewächse. Auf der GFN-Homepage gibt es zudem eine Babysitterbörse, einen familienfreundlichen Event-Kalender und einen Online-Shop, der unter anderem schwarze Kinder-Shirts verkauft, auf denen in bunten Lettern Werwölfchen oder Fledermäuschen zu lesen ist.
Trotz der großen Auswahl im Gruftie-Familien-Laden wollen Macher und Nutzer der GFN aber den Nachwuchs nicht vorsätzlich anschwärzen. "Nein, wir möchten die Kids nicht zu unserer Art zu leben, unserer Musik oder unserer Szene hin erziehen. Darum geht es uns gar nicht – sondern einfach nur darum, dass wir uns ausleben können", meint Sibylle. Ganz nebenbei mache es den Kindern aber Spaß, mit Mama und Papa (und dicken Ohrenschützern) zu einem Konzert oder Festival mitgehen zu dürfen.
"Natürlich können sie nicht immer dabei sein", betont Sibylle. Viele Gruftie-Bands sind berühmt für ihre deftigen Texte, in denen es um Sex, Tod und Teufel geht. "Damit muss man verantwortungsbewusst umgehen", meint die zweifache Mutter.
Bleibt nur noch die Frage: Was ist für sie der größte Horror? Dass ihre Söhne sich später einmal schicke Anzüge kaufen, bei der Bank arbeiten und die Top Ten hören? "Nein", lacht Sibylle. "Die beiden müssen natürlich keine Szenegänger werden. Aber wenn sie einen eigenständigen Geschmack entwickeln und nicht der Masse hinterher rennen würden, das fände ich schon schön."