Duisburg. .
Eine Ärzte-Fortbildung soll für Traumafolgeschäden bei Senioren sensibel machen. Hintergrund: Jetzt kommen die „Kriegskinder“ in die geriatrischen Einrichtungen. Erlebtes bricht plötzlich wieder hervor, weil Stützen wie Beruf oder Partner fehlen
Die Loveparade hat das Thema wieder hervorgeholt: Traumatische Erlebnisse und ihre Folgen. Das Katholische Klinikum Duisburg veranstaltet am Mittwoch eine Fortbildung für Ärzte, die die Traumata älterer Menschen in den Fokus rückt. Denn jetzt kommen die „Kriegskinder“ in die geriatrischen Einrichtungen, und Erlebtes, mit dem Betroffene Jahrzehnte mehr oder weniger gut leben konnten, bricht plötzlich wieder hervor, weil sichere Stützen wie Beruf oder Ehepartner fehlen, Gebrechlichkeiten hinzukommen. Das Ausmaß dieser „Kriegswunden“ lässt sich ermessen, wenn man die Loveparade als singuläre Katastrophe mit einer Bombennacht des zweiten Weltkriegs vergleicht - nur das dieser einen Nacht viele weitere folgten.
Das St. Vincenz-Hospital gehört zu den wenigen Krankenhäusern in Deutschland, die Geriatrie und Gerontopsychiatrie vereinen, also Körper und Seele der alten Menschen gemeinsam betrachten und behandeln: nicht nur die akute Lungenentzündung, sondern auch das seelische Leid.
„Männer erzählen häufig von ihren Erlebnissen in Stalingrad“, sagt Dr. Ulrich Schäfer, Chefarzt der Gerontopsychiatrischen Klinik, Frauen hingegen hielten sich mit Berichten zurück. Schon für solche geschlechtsspezifischen Unterschiede müsse sensibel gemacht werden.
Um die „Kriegskinder“ auch daheim zu unterstützen, hat Chefarzt Professor Peer Abilgaard drei Ratschläge für Angehörige und Pflegekräfte: Erstens „zuhören und das Leid würdigen“, zweitens solle man nachfragen, wie dieses Leid ausgehalten wurde, und drittens sollten persönliche Ressourcen gestärkt werden.
Seit man durch moderne Technik quasi das Gehirn beim Denken beobachten kann, wisse man, dass nicht automatisch alles besser wird, nur weil man drüber redet, beschreibt Abilgaard. Wer nicht stabil genug sei, für den sei manchmal Verdrängen besser. In jedem Fall gelte es aber, die Widerstandskräfte zu stärken. Das gilt nicht nur für „Kriegskinder“, sondern auch für die Opfer der Loveparade. Sogar Humor könne helfen. Ohnehin erleide nicht jeder Traumafolgeschäden. Wer optimistisch durchs Leben geht, flexibel denken kann, gute Beziehungen pflegt und das Gefühl hat, mit anderen Problemen fertig geworden zu sein, wird auch die Bilder vom 24. Juli verarbeiten können, prophezeit Abilgaard.