Duisburg. .

Angela Merkel soll zeitnah nach Marxloh eingeladen werden. Das war einhelliger Tenor einer Runde von Stadtteilpolitikern, die gestern im Rahmen eines „Runden Tisches“ in der WAZ-Redaktion über das Thema Integration diskutierten.

Die Bundeskanzlerin solle sich vor Ort ein Bild über jenen Stadtteil im Duisburger Norden machen, den sie kürzlich in den Medien als Paradebeispiel für „eine nicht funktionierende Integration von Migranten“ und „rechtsfreien Raum“ bezeichnet hatte.

Für diese Aussagen erntete die Kanzlerin auch gestern viel Widerspruch von Menschen, die in Marxloh leben – wie Gudrun Alt von den Grünen. „Ich laufe auch als Frau allein durch Marxloh. Sogar nachts. Da habe ich in der Innenstadt viel mehr Angst, dass mir etwas passieren könnte“, sagte sie zum Thema subjektives Sicherheits-Empfinden. Ein Eindruck, dem alle in der Runde Sitzenden beipflichteten.

Natürlich gebe es dort jene jugendlichen Migranten, die nur in Gruppen durch die Straßen ziehen und einen einschüchternden Eindruck auf deutsche Anwohner machen. Das empfinden gerade ältere Bürger als Bedrohung. „Und hier wird’s problematisch“, sagt Sebastian Haak, der für die SPD in der Bezirksvertretung Hamborn sitzt. „Wie können wir für diese Jugendlichen Angebote und Treffpunkte schaffen, damit sie nicht auf der Straße herumhängen?“, fragt er. Oft würden gute Ideen in dieser hoch verschuldeten Stadt allein an der Finanzierung scheitern. Sozialarbeit in der Schule und auf der Straße fänden aber bereits statt. Eine Fortführung sei wichtig.

Herbert Fürmann (Die Linke) nannte in diesem Zusammenhang die „mangelnden Perspektiven vieler Jugendlicher“ als Hauptproblem. Hinzu kämen die Sprachdefizite, die sich quer durch Familien ziehen würden. Damit sich das verbessert, bieten manche Kindertagesstätten neben den Sprachkursen für Kinder auch solche für deren Mütter an. Ein Gebührenfreiheit würde sicherlich dabei helfen, dass künftig deutlich mehr Migrantenkinder einen Kindergarten besuchen, so Haak.

Sigrun Nattkamp von der FDP stellte fest, dass die vielen guten Angebote aber von den Migranten auch angenommen werden müssten. Wichtig seien dabei Ansprechpartner, die den Respekt der Migranten genießen und so wirklich Einfluss auf das Leben nehmen könnten. Es ärgere sie, wenn sie bereits siebenjährige Mädchen sehe, die von ihren Müttern mit Kopftuch zur Grundschule geschickt werden. Insgesamt ärgert es sie am meisten, dass „in den letzten 40 Jahren viel versäumt wurde – aber auf beiden Seiten“.

Gudrun Alt hatte im Gespräch mit vielen Migranten herausgehört, dass diese die Akzeptanz eines Teils der Deutschen vermissen. „Sie wollen eine Wertschätzung, sie wollen das Gefühl vermittel bekommen: Auch du gehörst hierher. Stattdessen lautet die meistgestellte Frage: Wann gehst du zurück nach Hause? Dabei ist Marxloh ihr Zuhause“, so Alt. Der Integrationswillen auf deutscher Seite sei nicht sonderlich ausgeprägt, so pflichtete ihr Herbert Fürmann bei. Manche Migranten lebten aber auch bewusst in einer Abschottung. So entstünden Parallelgesellschaften. „Die gibt es auch in Marxloh“, so Haak, „aber nicht in den Ausmaßen, wie es das in den Medien gezeichnete Bild erwarten ließe.“

Wichtig sei es, künftig noch mehr türkische Unternehmen als Ausbilder zu gewinnen. Eine Lehre, eine Arbeit – das sei es, was jungen Menschen Halt und Perspektive gebe.

Und wie steht Marxloh in fünf Jahren da? „Ich will keinen rein türkischen Stadtteil. Ich will ein Marxloh mit jungen, gebildeten Menschen aller Nationalitäten. Einen Szene-Stadtteil“, so Fürmann. „Ich möchte, dass Marxloh seine Risikofreude und Innovationsbereitschaft behält“, sagte Gudrun Alt. „Ich hoffe, dass für die jungen Leute etwas getan wird“, so Sigrun Nattkamp. „Wir dürfen aber nichts schönreden, müssen kritisch bleiben. Aber wir wollen auch unterstützen und helfen.“