Duisburg. .
Beim Akzente-Projekt „Das rote Licht des Mondes“ nach dem Buch von Silvia Kaffke erlebt das Publikum den Roman fast an den Originalschauplätzen, spaziert durch Straßen und schleicht mit eingezogenem Kopf durch schmale Kellergänge.
Einen Roman von mehr als 500 Seiten Umfang aufführen zu wollen, ist ein mutiges Unterfangen und natürlich muss die Vorlage gekürzt werden. Das hat die in Ruhrort lebende Silvia Kaffke selbst übernommen. Das Ergebnis nennt sich „Literatour“: Peter G. Dirmeier führt als Erzähler durch den Nachmittag, liest mal Passagen aus dem Roman, fasst den Inhalt zusammen, erläutert die historische Bedeutung von Plätzen und Straßen und schlüpft in diverse Rollen. 17 Figuren werden von sechs Akteuren gespielt. Das Personal des Romans ist damit um mehr als die Hälfte der Figuren reduziert.
Die schauspielerische Hauptlast wird jedoch von drei Akteuren bewältigt. Petra Jebavy verkörpert mit großer Gelassenheit, aber gelegentlichen Schockmomenten die Patriziertochter Lina Kaufmeister, die mysteriösen Mordfällen auf der Spur ist. Größte Wandlungsfähigkeit zeigt Georg Lennarz, der mal den netten Polizisten Robert Borghoff, aber auch Linas bösen Bruder und den barmherzig-hilfsbereiten Priester spielt. Dirmeier fasziniert besonders, wenn er aus der Rolle des diabolischen Malers Reppenhagen schlüpft und wieder zum Erzähler wird.
Viele Handlungsstränge sind der Kürzung zum Opfer gefallen. Die sehr anschaulich erzählte Familien- und Sozialgeschichte, die im Roman großen Raum einnimmt, fehlt leider, die Verschwörung der Satanisten, die für die Mitte des 19. Jahrhunderts sehr konstruiert wirkt, ist aber beibehalten. Diese Ruhrorter Literatour konzentriert sich auf den Krimi und beginnt mit einem Leichenfund auf dem Friedhof.
Innerhalb der ersten 50 Minuten ist das Publikum viel in Bewegung, besucht fünf Spielorte, die Geschichte um Frauen- und Kindermorde im Ruhrort des Jahres 1854 kommt aber noch nicht richtig in Gang. Erst als die Zuschauer in der Fabrikstraße bei Fräulein Lisa zu Hause sind, kommt Ruhe ins Geschehen, Regisseur Olaf Reifegerste arbeitet die Charaktere der Figuren deutlicher heraus, lässt den Figuren auch Zeit für leise Töne.
Beeindruckend ist der logistische Aufwand, den Reifegerste und sein Team bewältigt haben, um die Szenen fast immer in Reichweite der Originalschauplätze des Romans spielen zu lassen. So mussten das evangelische Gemeindehaus, der Kirchgarten der St. Maximilianskirche, Höfe und Keller theatertauglich gemacht.
Zwar ist „Das rote Licht des Mondes“ mit fast dreieinhalb Stunden etwas zu lang geraten, die Tatsache, dass man einen spannenden historischen Kriminalroman an seinen Originalschauplätzen gelesen, erzählt und gespielt erleben kann, ist aber ein ganz besonderen Erlebnis.