Duisburg. .

Mittwoch ist der 13. Internationale Tag gegen Lärm. Aber was genau ist das eigentlich, „Lärm“? Auf jeden Fall ist es ein vielschichtiger Begriff. Wir besuchten mit einem Dezibel-Messgerät laute Orte in Duisburg: eine Kindertagesstätte, einen Autobahn-Anwohner und eine Baustelle.

1) DER AUTOBAHN-ANWOHNER

Karl-Heinz Dreher hat die Ruhe weg, schließlich war er jahrelang Friedhofsverwalter. Vor zwölf Jahren hat er privat eine Idylle gefunden, die sich erst auf den zweiten Blick erschließt: Mit seiner Frau lebt er unmittelbar an der A 59 in dem Hochhaus zwischen der Ausfahrt Duissern und dem Kreuz Duisburg.

Heute ist der Tag des Lärms, aber das ist seine Sache nicht. Ihm liegt der Verkehrslärm zwar zu Füßen, aber es stört nicht weiter. Ganz im Gegensatz zu 59 Prozent der Bevölkerung, die Straßenlärm als störend empfindet. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass der volkswirtschaftliche Schaden durch Lärm – von der Wertminderung einer Immobilie bis zu gesundheitlichen Schäden – bundesweit bei neun Milliarden Euro jährlich liegt. Gehörschädigungen, Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Probleme zählen zu den Problemen, die aber nicht nur vom Straßenverkehr ausgelöst werden, sondern auch vom Flug-, Nachbarschafts- oder sonstigem Umgebungslärm. Das Problem fängt im Kleinen an: Schon Kinder kriegen im Kindergarten kräftig was auf die Ohren – akustisch betrachtet. Sie wachsen an dicht befahrenen Straßen auf, aber auch die Musik über Ohrstöpsel kann auf Dauer krank machen. Der Tag des Lärms will für die Thematik sensibel machen.

Bei Karl-Heinz Dreher ist das nicht nötig. Bei ihm im sechsten Stock eröffnet sich ein wunderschöner Ausblick über den Innenhafen und die Küppersmühle, auf der anderen Seite Richtung Kaiserberg. Nur der Mini-Balkon Richtung Autobahn ist eher Zierrat denn von Nutzen, denn sobald die Tür auf ist, versteht man sein eigenes Wort nicht. 85 dB zählt das Messgerät. Schließt man die Tür, herrscht Ruhe.

„Das sind alles Schallschutz-Fenster, die das Land eingebaut hat“, erzählt Dreher. In einem Eckzimmer wurde sogar ein Frischluft-Ventilator eingebaut. „Zu Stoßzeiten kann man das Fenster nicht aufmachen, dann ist es zu laut“, bekennt auch der überzeugte Autobahn-Nachbar. Dass es damals bei der Wahl der neuen Adresse auch irritierte Blicke gab, stört Dreher nicht: „Ich lass mich nicht beeinflussen, das ist unsere Sache.“ Und die ist gemütlich, sonnig, ruhig. Auch die Nachbarschaft stimmt. Nett hier. (Annette Kalscheur)

2) DER KINDERGARTEN

Es ist mucksmäuschenstill in der Städtischen Kindertageseinrichtung Hansegracht – beinahe kann man das Wasser im nahegelegenen Innenhafen plätschern hören. Doch die fast unheimliche Stille ist nur von ganz kurzer Dauer. Wenige Sekunden später durchbricht ein schriller Aufschrei – und zwar aus über zehn Kehlen zugleich – die Idylle.

In diesem ganz speziellen Fall, der Fotograf brauchte ein besonders aussagekräftiges Motiv, gibt es von Leiterin Dagmar Monjé ein Lob für die jungen Krawallmacher, die immerhin einen Wert von genau 100 Dezibel erreichen. So laut sind sonst nur Winkelschleifer, Motorsägen oder Discolautsprecher. Wer solch einem Geräuschpegel dauerhaft ausgesetzt ist, riskiert einen massiven Hörschaden.

Zum Glück sind die Kinder in der Hansegracht fast nie so stimmgewaltig, als dass tatsächlich gesundheitsschädigende Folgen drohen. Trotzdem kann es in der ehemaligen Tabakfabrik manchmal ganz schön laut werden. „Je älter ich werde, desto empfindlicher werde ich für Geräusche. Wobei ich schon sagen muss, dass sicherlich eine gewisse Gewöhnung vorhanden ist“, sagt die 49-jährige Dagmar Monjé. Selbst die Lautstärke beim ganz normalen Spielen und Toben beträgt teilweise bis zu 75 Dezibel.

Damit die Lärmbelastung für Nachbarn, aber auch für Kinder und Mitarbeiter, so gering wie möglich ist, wurden in dem Altbau zahlreiche Maßnahmen zum Schallschutz vorgenommen. So wurden beispielsweise die hohen Decken tiefer gehängt und schallabsorbierend verkleidet.

Monjé, seit 30 Jahren Erzieherin, hat bei den Zwei- bis Sechsjährigen ein ganz besonderes Phänomen ausgemacht: „Montags ist es wesentlich lauter als an anderen Tagen. Die Kinder bekommen am Wochenende zu wenig Bewegung, schauen zu viel fern.“

Als Belastung empfindet Monjé die Geräusche der knapp 100 Kinder in der Hansegracht jedoch nicht. Schließlich hört sie auch zu Hause mit Vorliebe Musik – gern auch etwas lauter: „Kinderlärm finde ich nicht anstrengend. Anderen Lärm empfinde ich als viel belastender, zum Beispiel an Baustellen.“

Ein gewisser Geräuschpegel gehört zu einer Kindertageseinrichtung dazu – schließlich wird die Meinung der Jüngsten schon bald sehr gefragt sein. (Jörn Esser)

3) DIE BAUSTELLE

Motorräder, Pkw und tonnenschwere Lastkraftwagen donnern über die A 59. Doch neben der ganz normalen Verkehrslawine sorgt auch die Großbaustelle vor dem Hauptbahnhof für eine erhebliche Steigerung der Lärmbelastung. Sattelkipper, Bagger und Rüttelplatte sind im Dauereinsatz. Unmittelbar neben dem 475 Kilo schweren Gerät, das die Bodenschichten verdichten soll, entsteht ein Schallpegel von 94 Dezibel. Ein Düsenflugzeug kommt zwar auf rund 120 dB, doch auch der dauerhafte Baustellenlärm kann sich gesundheitsschädigend auswirken.

„Für mich ist es eine andere Art des Hörens. Wir hören die Geschichte hinter den Geräuschen. Beruflich freue ich mich natürlich, wenn die Bagger arbeiten“, sagt Projektleiter Peter Belusa. Denn der harte und lange Winter hat für Verzögerungen gesorgt und schon bald soll schließlich mit der Deckelung der vielbefahrenen Autobahn begonnen werden.

Lärm, der bis zur Fertigstellung entsteht, wird letztlich dazu beitragen, dass von der Hauptschlagader deutlich geringere Belastungen für die Umgebung ausgehen. Schon jetzt sorgen die Arbeiten für erste Fortschritte. Zwischen Portsmouthplatz und der Ausfahrt Duisburg-Zentrum greifen bereits die ersten schallschützenden Maßnahmen. „Die Stützwand besitzt einen integrierten Lärmschutz. Ein gestanztes Aluminiumblech mit Steinwolle im Inneren sorgt dafür, dass deutlich weniger Lärm von den Wänden reflektiert wird“, sagt Belusa. Die Testergebnisse bestätigen den Projektleiter. Der Schallpegel, befindet man sich auf Höhe der Lärmschutzwand, ist um 8 dB (68) geringer, als nur ein paar Meter weiter.

Doch ob Flüsterasphalt, Lärmschutz oder Deckelung, auch vor der Fertigstellung droht den Arbeitern an der A 59 keine Schädigung. Spezielle, individuell angefertigte Ohrstöpsel sorgen für eine ausreichende Schonung des Gehörs. (Jörn Esser)