Duisburg.

Viele Schüler sind froh, wenn sie Formeln und Variablen nach Schulschluss wieder los sind. Ibrahim Handoko hat hingegen seine eigenen Terme entwickelt. Seine Ideen präsentiert der 15-Jährige am Donnerstag beim „Jugend forscht“-Regionalwettbewerb in Duisburg.

Sich um die jüngere Schwester und deren Mathematikhausaufgaben zu kümmern, gehört nicht gerade zu den Lieblingsbeschäftigungen eines 15-Jährigen. Doch Ibrahim Handoko verdankt dieser unliebsamen Aufgabe die Idee, mit der er nun am Wettbewerb „Jugend forscht“ teilnimmt. Seine achtjährige Schwester musste Zahlenmauern lösen. Normalerweise funktioniert das so: Rechnet man die Zahlen von benachbarten Steinen zusammen, ergeben sie die Zahl des Steins, der über ihnen liegt. Ziel ist es, die richtige Zahl des letzten Steins auf der Zahlenpyramide zu finden. Um sofort auf die Zahl an der Spitze der Mauer zu kommen - und mehr Freizeit zu haben -, ersetzte der Gymnasiast die Werte in der Mauer durch Buchstaben und entwickelte eine Formel. „Für mich ist das nun einfacher zu kontrollieren“, erklärt Ibrahim, schließlich muss er nicht mehr jedes Zwischenergebnis prüfen.

Verallgemeinert: Ibrahim Handoko hat die Werte in der Zahlenpyramide durch Buchstaben ersetzt und eine Formel entwickelt, die nun für alle beliebigen Aufgaben dieser Art anwendbar ist. Foto: Katharina Bons
Verallgemeinert: Ibrahim Handoko hat die Werte in der Zahlenpyramide durch Buchstaben ersetzt und eine Formel entwickelt, die nun für alle beliebigen Aufgaben dieser Art anwendbar ist. Foto: Katharina Bons

Als im Mathematikunterricht das Pascalsche Dreieck auf dem Lehrplan stand, erkannte der Duisburger Regelmäßigkeiten und Parallelen und verallgemeinerte seine Formel weiter. Und nicht nur das, der 15-Jährige, der nicht nur Koeffizienten, sondern auch Karate mag, rechnete weiter: Neben der Formel für die Addition stellte er auch die für die anderen drei Grundrechenarten auf und fand außerdem Regeln für Spezialfälle wie Quadrat- und aufeinander folgende Zahlen. Nach dem Unterricht setze sich der 15-Jährige immer mal wieder vor sein Rechenheft und nach und nach entwickelte er die Terme. „Ich war erleichtert, als ich endlich das Problem gelöst hatte“, beschreibt der zurückhaltende Junge, der die neunte Klasse des Landfermann-Gymnasiums besucht, seinen Erfolg. Mit seiner Formel lassen sich nicht nur die einfachen Zahlenmauern seiner Schwester lösen, Ibrahims Regel ist auf alle Aufgaben dieses Typs mit beliebig vielen Steinen anwendbar. Das spart Rechenschritte und Zeit.

Elementare Formeln entwickelt

„Es ist schon außergewöhnlich, dass sich ein Schüler in seiner Freizeit mit Lust und Laune mit Mathematik beschäftigt, aber es kommt vor“, so Michael Wallau, Ibrahims Mathematiklehrer und Projektbetreuer. Den 55-Jährigen freut besonders, dass es dem Gymnasiasten gelungen ist, vollkommen selbstständig eine elementare Formel aufzustellen. Denn auch wenn seitenlange Rechenwege beeindruckend wirken: „Die kürzesten Formeln sind die schönsten.“ Und tatsächlich: Ibrahims Term ist so kurz, dass er in einer Zeile auf die Tafel passt. Dass sein Schüler die Formeln gefunden habe, verdanke der seinen Vorkenntnissen, seinem Entdeckerdrang, aber auch ein wenig dem Zufall. Dass sich die Gleichung nur auf die Zahlenmauern anwenden lässt, mindert die Entdeckung nicht, meint Wallau: „Die Wissenschaft widmet sich oft Dingen, um sie zu verstehen, nicht unbedingt um sie anzuwenden.“

Auch Ibrahim, der mit Baseballkappe und Baggyhose nicht in gängige Mathematikerklischees passt, stört das nicht. „Man muss ja nicht immer an die Wirtschaft denken, an das Geld.“ Da passt es, dass er nicht einmal weiß, dass auch bei „Jugend forscht“ Preisgelder winken. Dass Mathematik für viele zu den unbeliebten Fächern gehört, kann Ibrahim, der sich vorstellen kann Medizin zu studieren, nicht nachvollziehen: „Man muss fast in jeder Situation Mathe können.“ Selbst der Bäcker müsse schließlich ausrechnen können, wie viel Mehl, Wasser und Zucker er braucht. Bei seinen Mitschülern kommen seine Entdeckungen gut an. Als er seiner Klasse einen Teil seiner Formeln vorstellte, erntete er Lob.

35 Projekte zu naturwissenschaftlich-technischen Themen

„Die kürzesten Formeln sind die schönsten“, Mathematiklehrer  Michael Wallau ist begeistert, dass sein Schüler  völlig selbstständig einen elementaren Term aufgestellt hat. Foto: Katharina Bons
„Die kürzesten Formeln sind die schönsten“, Mathematiklehrer Michael Wallau ist begeistert, dass sein Schüler völlig selbstständig einen elementaren Term aufgestellt hat. Foto: Katharina Bons

Insgesamt 70 Teilnehmer werden am Donnerstag beim Duisburger Regionalwettbewerb 35 Projekte aus den Bereichen Arbeitswelt, Biologie, Chemie, Geo- und Raumwissenschaften, Mathematik/Informatik, Physik und Technik vorstellen. Die Jüngeren nehmen am Wettbewerb „Schüler experimentieren“ teil. Die 15- bis 21-Jährigen, darunter viele Auszubildende, hoffen auf die Teilnahme am „Jugend forscht“- Landeswettbewerb. Sie präsentieren unter anderem LED-Sicherheitshelme, versuchen das Wachstum von Pflanzen vorherzusagen oder mit einer Chillischärfemessmaschine herauszufinden, wie scharf Lebensmittel sind. Wie viele Teilnehmer weiterkommen, entscheidet eine Jury aus Lehrern, Hochschullehrern sowie Fachleuten aus Unternehmen.

Mathematikass Ibrahim ist schon etwas nervös vor dem Wettbewerb. „Das, was ich gemacht habe, ist ziemlich einfach zu verstehen, es gibt aufregendere Experimente wie zum Beispiel in der Chemie“, grübelt er. Auch wenn er nur Papier und Stift braucht, um seine Idee vorzustellen, will er sie der Jury im ThyssenKrupp-Bildungszentrum möglichst ansprechend präsentieren. „Ich hoffe, dass ich gewinne, aber es muss nicht unbedingt sein“, sagt Ibrahim bescheiden. Allein einmal bei „Jugend forscht“ dabei zu sein, bedeutet dem 15-Jährigen mit indonesischem Pass viel. „Ich will zeigen, dass es Ausländer gibt, die Interesse an der Gesellschaft haben.“ Und sollte er bei „Jugend forscht“ nicht weiterkommen, hat Ibrahim noch ein anderes Eisen im Feuer. Am Samstag nimmt er als bester Duisburger Neuntklässler am Landeswettbewerb der Mathematik-Olympiade in Neuss teil.