Duisburg. .
Erhalt durch Abriss – hört sich komisch an, ist aber so in der Siedlung Werthacker: Die kleine Kirche wird derzeit in Hand- und Eigenarbeit abgerissen, weil die Siedler sie so sichern wollen. Und damit auch ihre liebgewonnene „Siedlerklause“.
Knappe Kassen der katholischen Kirche hatten auch die St. Martinus-Kapelle zu einem der vielen Gotteshäuser gemacht, auf die das Ruhrbistum verzichten wollte. Ein Investor stand bereit, die Immobilie inmitten der Siedlung zu übernehmen.
Doch die Bewohner der rund 100 Häuser, die die „Siedlergemeinschaft Duisburg“ in der abgeschiedenen Ecke Duisserns zwischen Bahn, Autobahn und Ruhr bilden, wollten anderes, als auf „Seele und Herz der Siedlung“ verzichten, so ihr Vorsitzender Wolfgang Stahl. Sie entschieden sich für ein „Bauernopfer“.
Die Bewohner der zwischen 1949 und 1978 erbauten Siedlungshäuser gingen ans Ersparte für ein Darlehen, davon wurde das Kirchlein gekauft. Jetzt wird, natürlich wieder von den Siedlern selbst, der frühere Kirchen-Kindergarten und ein Teil des Gotteshauses abgerissen, um Platz zu schaffen für vier Siedlungshäuser. Vom Erlös könnten dann wiederum die Darlehen der Nachbarn getilgt werden.
Auf der Habenseite bliebe dann die größtenteils erhaltene Kirche mit ihrer sehenswerte Holzbinderdecke im Inneren und dem zierlichen Glockentürmchen auf dem Dach – und natürlich die „Siedlerklause“ im Untergeschoss, in der seit Jahrzehnten von Kindstaufe bis Karneval alles gefeiert wird, was Spaß macht und die Nachbarschaft nachhaltig festigt.
Die entschlossene Selbsthilfe der Werthacker-Gemeinschaft strahlt inzwischen weit über das abgeschiedene Großstadt-Dorf hinaus. Die Kombination von Pfiffigkeit und Bereitschaft zum Anpacken hat inzwischen Künstler wie Markus Ambach beeindruckt, der im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr.2010 die „Schönheit der großen Straße“ thematisiert und Siedler-Aktionen wie etwa jetzt das Dachabdecken am abzureißenden Kindergarten akribisch auf Video bannt.
Vom „Widerstand des kleinen Glücks“ (und möglicherweise früherer Asterix-lektüre) wurde auch Jeanne van Heeswijk inspiriert, die mit Künstlerkollegen im Schatten der Martinus-Kapelle eine massive Tafelrunde aufgebaut hat aus 12,5 Tonnen Holz. Eine wildschwein-taugliche Grillpfanne und eine Zapfanlage für gekühltes Pils steuerten die Siedler bei. Ambach: „Das ist Kunst, die lebt.“
Und ankommt: Am Wochenende wird gezapft und gegrillt, die Abbrucharbeiten gehen weiter, und mit einigem Stolz blicken die Werthacker-Siedler auf „ihre“ Kirche – auch wenn das Bistum strikt verboten hat, die Glocke zu läuten.