Duisburg. .

Das Ruhr-2010-Kunstprojekt „B1/A40“ lädt zu einem verrückten Spaziergang durch das Autobahnkreuz Kaiserberg ein. Zu sehen sind unter anderem ein Fischteich mit Fontäne, Bodendecker, beschnitten wie im Barockgarten. Und Räucherfisch gibt’s auch zu kaufen.

Tausendmal durchgefahren, tausendmal im Stau geflucht: Kreuz Kaiserberg, ein Alptraum. Wie – pardon – bekloppt muss man eigentlich sein, da durch zu spazieren? Kulturhauptstadtverrückt! Und es hat Zoom gemacht. „B1/A40 – Die Schönheit der großen Straße“ heißt die Ausstellung mit Stationen entlang der Straße, die mal Ruhrschnellweg, mal Ruhrschleichweg ist. „So viel Mumm hat nicht jeder“,sagt 2010-Chef Fritz Pleitgen mit Blick auf die „Kühnheit und Chuzpe“, diese Straße zum Kunstprojekt zu machen. Und den Spaghetti-Knoten zum Landschaftspark mit zwei Wanderwegen über 45 oder 90 Minuten.

Delikatfisch Braun, das selbst erschaffene Idyll von Adolf Braun zwischen Bahnstrecke und Autobahn, mitten im Kreuz: Ein Fischteich mit Fontäne, Bodendecker beschnitten wie im Barockgarten, Verkauf von Räucherfisch (nach eigenem Räucherpatent). Würde nicht gelegentlich ein ICE durchbrausen und wäre da nicht dieses dezente Rauschen im Hintergrund – man würde sich vorkommen wie im Urlaub.

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Von DerWesten

Auf der Brücke fällt der Blick auf grasende Kühe in den Ruhrauen, bevor es in die „Kaiserberger Hölle“ geht, wie es Markus Ambach nennt. Der Kurator von „B1/A40“ kommt aus Düsseldorf und war kein Ruhrgebiets-Fan – bis er „die Leute vor Ort“ kennenlernte. Für ihn sind es „Pioniere“, die dieser eigentlich menschenfeindlichen Umgebung freundliche Seiten abtrotzen. Die Betonwände in der „Kaiserberger Hölle“ – direkt neben der Spur, die von der A3 (aus Köln) auf die A40 (Richtung Moers) – haben Graffiti-Künstler in ein Straßenkunst-Museum verwandelt.

Ein Stückchen weiter über den fast zugewucherten Weg entlang der Bahnstrecke Berlin – Rheinland grasen manchmal Pferde auf einer Weide.

Über die Brücke geht es auf die andere Seite des Knotens, zur Pumpstation. Gelbe Schläuche, die nachts leuchten, sind wie ein Bienenkorb geformt. Die Künstlergruppe Finger (Florian Haas und Andreas Wolf) hat darunter acht Bienenvölker angesiedelt. Der Honig, der hier gesammelt wird, wird demnächst im Rhein-Ruhr-Zentrum verkauft. Schadstoffe? „Honig hat generell weniger Schadstoffe als Milch, vor allem, seitdem das Benzin bleifrei ist“, sagt Haas.

Form einer Gesteinsformation

Noch ein Blick auf den „Delicate Arch“, den Rita McBride auf der nördlichen A-40-Seite aufgebaut hat: Er hat die Form einer Gesteinsformation, die im Utah Nationalpark als Naturdenkmal geschützt ist. Noch ein Blick auf den Bunker: In seinen oberen Fenstern gibt es ein umlaufendes Licht wie bei einem Leuchtturm. Er wird zum Wahrzeichen für die Siedlung Werthacker. Direkt an der A40 verkaufte die Stadt einst Land, auf dem ein „Zigeunerlager“ entstanden war, günstig an Siedler.

Die Kirche, die damals entstand, ist längst säkularisiert und sollte abgerissen werden. Doch die Siedler leisten Widerstand. Die Künstlerin Jeanne van Heeswijk hilft ihnen mit dem Projekt „Widerstand des kleinen Glücks“. Gleich neben der Kirche, die demnächst zur Hälfte abgerissen wird (mit den Erlösen aus dem halben Kirchengrundstück wurde der Kauf der Restkirche finanziert), entsteht eine große runde Holztafel, an der wie im berühmten gallischen Dorf der gute Ausgang des Streits um die Kirche gefeiert wird.