Duisburg. .

Der Tunnel an der Karl-Lehr-Straße war vor der Loveparade-Katastrophe nur eine von Fußgängern verpönte Unterführung zwischen Neudorf und dem Dellviertel. Nun hat sich dieses schnöde Stück Straße in eine Gedenkstätte verwandelt.

An diesem regnerischen Montagnachmittag ist die Unglückststelle auf den ersten Blick ein Berichterstattungs-Zone. Neben den unzähligen deutschen Fernsehteams sind auch unzählige Reporter aus dem Ausland vor Ort. Jeder will dieses Bauwerk sehen, das am Samstag 20 Menschen in den Tod geführt hatte und aus dem sich über 500 Verletzte befreien konnten. Jeder ist auf der Suche nach Gesprächspartnern, die da zuvor eine Sonnenblume, einen Stoffbären oder eine Kerze niederlegt haben. Manche beantworten die Fragen der geduldig wartenden Journalisten. Andere schweigen lieber und trauern in aller Stille für sich. Den meisten steht der Schock auch zwei Tage nach den Vorkommnissen noch im Gesicht geschrieben. Viele weinen. Das sind oft diejenigen, die hier selbst das tödliche Gequetsche und Gedränge miterleben mussten. Oder die, deren Kinder noch immer völlig traumatisiert sind.

Die Stimmungslage in der Menge reicht von Trauer über Verbitterung bis hin zu Zorn. So etwa bei Rainer Wille. Die 28-jährige Tochter des Wanheimers entkam nur durch den Einsatz ihres Freundes der Menschenmasse, als der sie im letzten Moment über einen Zaun zog. „Die Polizei hat ihr überhaupt nicht geholfen, sondern wollte verhindern, dass die Leute über diese Böschung flüchteten“, zitiert Wille die Schilderungen der Tochter. Deshalb hat er seine Empörung auf einem Plakat zum Ausdruck gebracht, das er hinter einem aus Eis gefertigten Grabkreuz an die Tunnelwand geklebt hat. Neben jenem Kreuz schmilzt ein weiterer Eisblock. Er trägt die Inschrift „In tiefer Trauer“. Viele verewigen diese vergänglichen Monumente mit der Kamera.

Drei Trauerstellen sind im Streckenverlauf des Tunnels, der für den Autoverkehr weiterhin gesperrt bleibt, mittlerweile zu finden. Eine auf der Westseite in Höhe der Hausnummer 16. Einer an jener Treppe, von der ein Teil der Opfer auf ihrer Flucht aus dem übervollen Tunnel in den Tod gestürzt war. Und ein dritter auf Neudorfer Seite direkt am Tunnelzugang. „Die Organisatoren haben unsere Kinder in den Tod getrieben“, klagt dort eine Mutter auf einem Plakat an. Die Schuld-Frage ist es, die nach Klärung schreit.

Der Regen wird stärker. Viele der aufgestellten Tee- und Grablichter sind mittlerweile erloschen. Doch das Licht des Gedenkens, es leuchtet zumindest in den Herzen der Trauernden weiter. Für immer.