Wenn ein Choreograph Tschaikowskys „Schwanensee” auf die Bühne bringt, muss er sich an der Inszenierung von Lew Iwanow und Marius Petipa aus dem Jahre 1895 messen. Das St. Petersburger Staatsballett gastierte mit diesem Original jetzt im Theater im Marientor.
Das Ballett erntete für seine märchenhafte Darbietung viel Beifall. Die Aufführung ermöglichte Neulingen ein Kennenlernen des Werkes und Kennern den Vergleich mit aktuellen „Schwanensee”-Deutungen.
Lew Iwanow und Marius Petipa erzählen die Geschichte von der unglücklichen Liebe des Prinzen Siegfried zur Schwanenkönigin Odette ganz im Dienst des Werkes. Die Ensembleszenen sind sorgfältig aufgebaut und auf Bildwirkungen ausgerichtet. Die Solo-Szenen geben den Tänzern viel Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen. Abgerundet wird der märchenhafte Eindruck der Aufführung durch die gemalten Kulissen: Theater wie aus dem Bilderbuch.
Die St. Petersburger Compagnie zeigt sich als sehr synchron und homogen tanzen-des Ensemble. Ungenauigkeiten sind kaum zu bemerken, so perfekt eingespielt zeigen sich die Tänzer, die mit dieser Choreographie gerade allabendlich auf deutschen Bühnen auftreten. Vielleicht hat sich dadurch auch ein bisschen Routine eingeschlichen, die Gruppentänze zu Beginn sind zwar präzise ausgeführt, wirken aber eine Spur zu akademisch. Später, wenn sich die Handlung dramatisch verdichtet, gewinnt auch der Tanz an Intensität.
Auch die Solisten zeigen hohes tänzerisches Niveau: Wie im klassischen Ballett werden hier endlose Drehungen, virtuose Sprünge und graziöse Hebefiguren mit einem Lächeln auf den Lippen, scheinbar mühelos bewältigt. Wladimir Isnow tanzt den Prinzen mit der nötigen Energie, wirkt in seiner Rolle aber zu schlaksig. Erst im dritten Akt kann er im Solo seine Springkunst zeigen. Anna Woytina als Odette und Natalia Potechina als Odile verkörpern ihre Rolle mit anmutiger Leichtigkeit und Grazie. Düster und bedrohlich tanzt Alexander Woytin den Zauberer. Sehr springfreudig: Artur Martirosyan (der Hofnarr).