Duisburg. Der Albtraum nimmt kein Ende: Seit Januar laufen in einer Duisburger Reihenhaussiedlung die Keller voll. Ein Schreiben sorgt jetzt für neue Wut.
Starkregen wie der in den letzten Mai-Tagen treibt den Hilles jedes Mal den Schweiß auf die Stirn. Seit 1. Januar haben sie mit Wasser in ihrem Keller zu kämpfen (wir berichteten). Noch immer laufen Tag für Tag in ihrem Haus an der Möhlenkampstraße in Duisburg-Beeck die Pumpen. Zahlreiche Nachbarn teilen das Schicksal. Die Nerven liegen bei allen blank. Mitte März hatte Andreas Hille noch die Hoffnung, dass die Räume im Mai wieder trocken sind. Er musste sich eines Besseren belehren lassen: Der Albtraum scheint einfach kein Ende zu nehmen.
Immerhin hat es lange so ausgesehen, dass es besser wird. Das Wasser wurde weniger, bis auf einen Raum konnten alle wieder ohne Gummistiefel betreten werden. Doch dann kommt der Starkregen Ende Mai. Alle Kellerräume laufen wieder voll. Die Hoffnung ist zerstört.
Duisburg-Beeck: Reihenhaus-Keller stehen schon seit sechs Monaten unter Wasser
„Es ist Wahnsinn, wie ein Keller das Leben bestimmen kann“, sagt Jutta Hille. Seit einem Jahr ist das Paar nicht mehr in den Urlaub gefahren. „Todesmutig haben wir im November für eine Woche was im Sauerland gebucht. Von da sind wir in anderthalb Stunden wieder zu Hause“, sagt die Hausbesitzerin mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus in der Stimme.
Nachbar Dieter Langer nickt: „Wir wollen im Oktober zwei Wochen auf die Kapverden. Aber bei uns stellt sich keine Vorfreude ein. Meine Tochter wird nach dem Haus gucken. Aber du weißt ja nicht, was passiert.“ „Ja“, stimmt Hille zu, „und das kann man anderen nicht zumuten.“
Irgendwie habe man sich in die Katastrophe eingefunden, sagen sie. „Man lebt damit.“ Dieter Langer hat anfangs noch seinen durch die Pumpen erhöhten Stromverbrauch mit Argusaugen beobachtet. Schon nach drei Monaten waren es 600 Euro mehr als normal. „Ich gucke einfach nicht mehr“, sagt er heute achselzuckend.
Hausbesitzerin: „Das normale Leben ist weg. Ich habe richtig Angst vor dem nächsten Starkregen.“
Inge Eickmanns beschreibt ihren Alltag im Dauerausnahmezustand so: „Das normale Leben ist weg. Ich habe richtig Angst vor dem nächsten Starkregen. Dann sage ich mir wieder, ich gehe einfach nicht mehr im Keller gucken. Es riecht im Haus nach Wasser, alles ist durcheinander. Das ist schlimm.“ Demnächst will sie ein paar Tage auf Flusskreuzfahrt gehen. „Ich habe neulich zu einer Freundin gesagt, dass ich mich da noch nicht sehe.“
Die Belastung ist also groß – und der Ärger auch. Ärger über die Stadt, von der sie sich immer noch im Stich gelassen fühlen. „Wir wollen ja gar kein Geld, zum Beispiel um unsere Häuser zu renovieren“, sagt Andreas Hille. „Wir wollen einfach nur mit der Stadt ins Gespräch kommen.“ Das sei trotz aller Bemühungen der Nachbarschaft, die quasi alle Hebel in Bewegung gesetzt hat und bei jeder Stelle angefragt hat, die einem von ihnen eingefallen ist, all die Monate nicht passiert. „Stattdessen haben sie uns vor einigen Tagen einen unverschämten Brief geschickt“, sagt Andreas Hille.
Ein Brief von der Unteren Wasserbehörde treibt den Puls in der Siedlung Möhlenkampstraße hoch
Dieser Brief von der Unteren Wasserbehörde, den auch nur einige der Betroffenen bekommen haben, macht die Adressaten einfach nur fassungslos. Darin heißt es: Bauherren und deren Fachplaner müssten selbst Sorge dafür tragen, „dass ein Eindringen von Wasser in das Gebäude wirksam verhindert wird. In der aktuell gültigen Bauordnung NRW wird dies in § 13 festgelegt und selbst in historischen Bauordnungen ab 1962 ist diese Vorschrift enthalten. Bei anderen Wohngebäuden Möhlenkampstraße kann beobachtet werden, dass diese dort in Form von Hochparterres errichtet wurden, um den Abstand der Kellersohle zum Grundwasser zu erhöhen. Andere Möglichkeiten sind ein Verzicht auf einen Keller oder die Abdichtung des Kellers entweder im Rahmen der Errichtung oder als nachträgliche Sanierung.“
Mehr fällt der Stadt nach sechs Monaten nicht ein? Schiebt uns den schwarzen Peter zu? Die Nachbarn haben Puls. Fest steht: Die Häuser stehen seit 1958 und noch nie ist ein derartiger Wassereinfall vorgekommen. Und: „Glauben die, wir sitzen hier nur untätig rum und kümmern uns nicht darum, wie wir unsere Häuser dicht bekommen?“ Den Hilles fehlen fast die Worte. Natürlich hätten sie sich längst einen Experten ins Haus geholt und sich beraten lassen. Zwischen 30.000 und 50.000 Euro wird es sie kosten, ihr Haus vor eindringendem Wasser zu schützen. Die Renovierung kommt noch obendrauf.
In Kaarst und Dinslaken wird für Bürger gekämpft, deren Keller unter Wasser stehen
Dieter Langer fragt sich, warum die Stadt nicht auf die Idee kommt, Grundwasserpumpen zu installieren, damit das Wasser draußen bleibt. „In Kaarst setzt sich die SPD zum Beispiel gerade dafür ein, dass die Verwaltung mit dem Erftverband eine Lösung zur Kappung der Grundwasserspitzen erarbeitet.“ Und in Dinslaken, wo 300 Keller vollgelaufen sind, kämpft die Bürgermeisterin dafür, dass das Ereignis als Naturkatastrophe im Sinne der neuen Soforthilfe-Richtlinie des Landes NRW anerkannt wird und man den Betroffenen unter die Arme greift.
Unsere Redaktion hat bei der Stadt nachgefragt: Können die Betroffenen noch auf Hilfe der Stadt hoffen? Wären Grundwasserpumpen eine Möglichkeit, den Menschen in Beeck zu helfen? Die einsilbige Antwort lautet: „Die Prüfungen innerhalb der Stadt Duisburg dauern weiterhin an. Es sind halt viele Player im Boot.“
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Man habe inzwischen geklärt, ob neben des Dauerregens ggf. andere Faktoren zu den hohen Grundwasserständen geführt haben. Das Ergebnis: „Der Grundwasserstand ist demnach nur durch das außergewöhnliche Wetterphänomen des langanhaltenden Dauerregens entstanden“, so Stadtsprecherin Susanne Stölting.
Jutta Hille bringt das auf die Palme, denn so steht es auch im Schreiben der Unteren Wasserbehörde. „Wir alle möchten keine Hinweise mehr auf Starkregen und einen erhöhten Grundwasserspiegel hören. Das wissen wir alles, wir sind nicht doof.“ Inge Eickmanns hat schon mehrfach den guten Rat bekommen, doch einfach den Keller zuzumachen. Einen Kommentar dazu möchte sie sich ersparen.
Mehrere Nachbarn haben schon darüber nachgedacht, Anwälte einzuschalten. Aber ob das was bringt, bezweifeln sie selbst. „Wen sollen wir haftbar machen?“, fragt sich Langer. Andreas Hille hat einen Gedanken, der ihm schlaflose Nächte bereitet: „Wenn das Wasser bis Herbst nicht weg ist, geht es nie weg.“ Und was dann?