Duisburg. In Duisburg werden Straßennamen mit NS-Bezug kategorisiert. Sollen weiter Straßen nach Heinrich Lersch benannt sein? Was OB Link fürchtet.
Darf jemand, der das „Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler“ unterzeichnete, Namensgeber für Straßen sein? Nach dem Arbeiterdichter Heinrich Lersch sind zwei Straßen in Duisburg und viele weitere in ganz Deutschland benannt. Die Diskussion darum polarisiert, kürzlich auch im Rat der Stadt.
- Die WAZ Duisburg informiert Sie auch hier: zum WhatsApp-Kanal +++ bei Instagram folgen +++ jetzt Duisburg-Newsletter ins E-Mail-Postfach schicken lassen +++ WAZ Duisburg bei Facebook abonnieren +++
Der Anlass war zunächst denkbar bürokratisch: Ein Bürger hat die Stadt Duisburg angeschrieben und angeregt, all jene Straßen in Duisburg umzubenennen, die nach Heinrich Lersch benannt wurden. Außerdem sollten in diesem Zusammenhang alle Straßennamen auf ihre Bezüge zur NS-Geschichte hin überprüft werden. Diese Petition stammt vom 30. Juli 2023. Der Rat der Stadt musste nun (!) über das Antwortschreiben der Stadtverwaltung abstimmen und tat es einstimmig.
Potenziell belastete Straßennamen? Laut Duisburgs OB Link bringt Umbenennung „viele auf die Barrikaden“
In dem Brief betont die Stadt, dass die beiden Heinrich-Lersch-Straßen in Walsum und Neudorf „kritisch in den Blick“ genommen würden. Zunächst müsse aber die Kategorisierung der Duisburger Straßennamen abgeschlossen werden. Bereits 2020 hatte der Kulturausschuss beschlossen, das Zentrum für Erinnerungskultur damit zu beauftragen, alle Straßennamen zu überprüfen. Sie sollen in schwer belastet/nicht haltbar, in diskussionswürdig und in unbelastet eingeteilt werden. Auf Basis dieser Einschätzung sollen dann die Bezirksvertretungen in konkrete Überlegungen eintreten.
Auch interessant
Parisa Tonekaboni, die Vorsitzende des Kulturausschusses, nahm das Antwortschreiben zum Anlass, sich über die Verwaltung zu ärgern, die sich „einen schlanken Fuß macht“ und über CDU und SPD, die das Thema „auf die lange Bank schieben“. Denn nach Auskunft von Andreas Pilger, dem obersten Geschichtshüter der Stadt im Zentrum für Erinnerungskultur, könnten die politischen Gremien „längst loslegen“.
„Ich habe noch keinen Bürger getroffen, den das Thema bewegt“, entgegnete Oberbürgermeister Sören Link. Die Verwaltung mache sich keinen schlanken Fuß, bei der Afrikasiedlung im Süden habe man das Thema „ausgesprochen gut“ umgesetzt.
Er sehe das Problem, dass Straßenumbenennungen „viele auf die Barrikaden bringt“, weil eine Adressänderung für die Bewohner mit viel Aufwand verbunden sei. Er habe kein Problem damit, historisch zweifelhafte Personen mit zusätzlichen Schildern in einen Kontext zu setzen, „aber ich habe ein Problem damit, wenn halb Duisburg umbenannt wird“. Es gehe hier nicht um eine „Adolf-Hitler- oder Göring-Straße“.
Tonekaboni betonte, dass Link nicht auf dem aktuellen Stand sei: „Das Konzept ist da, die Kategorisierung fast fertig.“ Es gebe keinen Grund, das Thema nicht anzupacken, auch wenn es Menschen gebe, denen das nicht gefällt. Sie lebe jedenfalls in einer anderen „Bubble“ als der Oberbürgermeister und es sei „Aufgabe von Politik, sich einem gesellschaftlichen Diskurs nicht zu entziehen“.
Heimatdichter mit NSDAP-Parteibuch hat auch Fürsprecher in Duisburg
Nicht nur der Stadtrat und der Kulturausschuss haben sich mit den nach Heinrich Lersch benannten Straßen beschäftigt, sondern auch die betroffenen Bezirksvertretungen in Walsum und in der Stadtmitte. So verteidigte Helmut Neugebauer, der Vorsitzende der Walsumer AfD-Fraktion, den Namensgeber: Heinrich Lersch sei „bekannt und berühmt“ und nach ihm sei sogar eine Schule in Mönchengladbach benannt.
„Er war ein Arbeiterdichter, ein Heimatdichter, Patriot und vielleicht ein Chauvinist, aber er war nicht bekannt als Nationalsozialist“, so Neugebauer weiter und präsentierte ein westdeutsches Schulbuch aus den Sechzigerjahren, in dem Lersch-Gedichte behandelt wurden.
Auch interessant
Der Bezirksbürgermeister Georg Salomon konterte, es gehe noch nicht um die Frage, ob Straßen in Duisburg auch künftig nach Heinrich Lersch benannt sein sollten. Dieser Abwägungsprozess werde erst noch folgen. Zunächst gehe es nur um das Antwortschreiben auf die Petition.
Allerdings ließ eine Mehrheit der Walsumer Bezirksvertreterinnen und Bezirksvertreter durchblicken, dass sie willens sind, Lersch von der Straßenkarte zu fegen, sofern die Fachleute ihn als problematisch einstufen.