Duisburg. Beim 7. Kammerkonzert in Duisburg klingt populäre Musik, doch der Saal ist fast leer. Warum das Problem teilweise hausgemacht ist.
Es ist ein trauriges Bild am Sonntagabend im großen Haus der Duisburger Mercatorhalle. Im gewaltigen Konzertsaal wirken die, mit viel gutem Willen geschätzt, paar Hundert Zuhörer noch weniger, als es ohnehin schon sind. Und dann beginnt das Konzert und man fragt sich: Warum ist keiner gekommen?
Denn das Mahan Septet um den gebürtigen Iraner und Wahl-Wiener Mahan Mirarab spielt Spitzenmusik, und dabei noch in einem Genre, das gerade bei jungen Menschen und in der Musikhochschul-Blase äußerst angesagt ist. Dass die Halle leer und die wenigen Zuhörer doch älter sind, müssen sich die Duisburger Philharmoniker als Veranstalter auch selbst zuschreiben.
Aber dazu später mehr, erst das wichtigste: die Musik. Dafür, dass der Saal so leer ist, können der Gitarrist und seine hervorragende Band nämlich nichts. Mirarab eröffnet das Konzert mit einer Solonummer auf seiner doppelhalsigen Gitarre, ein Griffbrett mit, eins ohne Bünde.
Das Mahan Septet in Duisburg: eine Reise zwischen musikalischen Welten
Letzteres nutzt der Wiener, um die vielleicht beeindruckendste Eigenheit der arabischen Musik in seinen Jazz-Mix einfließen zu lassen: Vierteltöne. Wo es in der westlichen Musik nicht mehr kleiner als ein Halbtonschritt wird, geht die arabische Musik weiter und bietet dem Duisburger Publikum einen fremden, aber zauberhaften Klang, sehnsüchtig, traurig – zumindest für europäische Ohren. Die Entspannung, bei der sich der Hörer erwischt, wenn der Musiker auf die „klassische“ Gitarre und in die gewohnte Diatonik wechselt: Vielleicht ein Signal, in Sachen Hörgewohnheiten mal über den Tellerrand zu lauschen.
Was dort für eine Spitzencombo auf der Bühne steht, zeigt sich dann, als der Rest der Band einsteigt. Dass das musikalische Rezept bekannt ist, tut der Freude keinen Abbruch: Mahan Mirarab, David Six (Klavier), Martin Berauer (Bass) und Amir Wahba (Schlagzeug/Percussion) spielen eingängige, weil reduzierte und kurze, rhythmische Muster, gewürzt mit gelegentlichen krummen Takten.
Eine Spielwiese für die Solisten Golnar Shahyar (Gesang), Mona Matbou Riahi (Klarinette) und Stepan Flagar (Saxophon), die aber auch als Bläsersatz mit vertrackten Linien beeindrucken. Mahan Mirarab selbst stellt sein können als Improvisator auch unter Beweis, gerade wenn er sich „Outside“ des klingenden Akkords bewegt, zeigt er, dass er im Jazz genau so zu Hause ist wie in der iranischen Musik.
Jazz und iranische Musik in Duisburg: ein betörender Mix
Wer bei diesem „Rezept“, vor allem wegen Golnar Shahyars Gesang in der Funktion eines dritten Melodieinstruments, an den Oud-Virtuosen Dhafer Youssef und seine Musik denkt, liegt goldrichtig. Mirarab, seine Kompositionen und seine Band müssen den Vergleich mit Youssef keinesfalls scheuen, im Gegenteil: Oft ist das, was in der Mercatorhalle klingt, noch filigraner, überraschender, spannender als die Werke des Shooting-Stars der Szene. Denn beim Mahan Septet blitzt noch eine andere Inspiration gut hörbar durch: die Pat Metheny Group.
Was das Septet auf die Bühne bringt, ist internationale Musik in seiner modernsten Form, gemischt mit der Freiheit des Jazz, der es schon immer vermocht hat, Einflüsse anderer Musikrichtungen aufzunehmen und zu etwas Neuem zu machen – in diesem Fall eben die harmonischen und rhythmischen Eigenarten der arabischen Musik. Heraus kommt eine betörende Musik für Musikfans jeder Couleur, für die, die hören und träumen wollen, aber auch für die, die sich analytisch mit dem Werk auseinandersetzen möchten.
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So viel also zu diesem wahrlichen Spitzenkonzert – das erschreckend schlecht besucht war. Und zumindest eine Teilschuld daran trifft auch die Duisburger Philharmoniker als Veranstalter.
Die haben das Konzert nämlich, möchte man es drastisch formulieren, unter Wert „verkauft“. Ja, die Philharmoniker müssen ein Konzert in der Reihe „Kammerkonzerte“ natürlich auch als solches bewerben. Doch Musik wie die vom Mahan Septet, modern, neu, musikalisch und technisch spektakulär, ist genau die Musik, die gerade viele junge Menschen begeistert, die sich selbst in der Musikszene bewegen.
Mit entsprechender Werbung, jüngerer Sprache – und vielleicht sogar dem, zurecht, umstrittenen Wort „Weltmusik“, vor allem aber mit einem Schwerpunkt auf den Jazz hätte man diese jungen Menschen locken können. Denn, so traurig es auch sein mag: Das Wort „Kammermusik“ schreckt junge Hörer ab. Und das hat das hervorragende Mahan Septet nicht verdient.