Duisburg. Wucherungen, Tumorbildung und entstellte Gesichter: Schon beim Verdacht Neurofibromatose werden Eltern panisch. Wozu ein Experte dringend rät.
Schon allein der Verdacht ist für viele Eltern ein Schock: Mein Kind leidet an einer seltenen Krankheit, die das ganze Leben verändert. Sie reisen aus dem gesamten Bundesgebiet zu den Sana Kliniken nach Duisburg. Meistens lassen die Eltern kleine hellbraune Flecken auf der Haut des Kindes checken. Sie könnten ein Symptom für Neurofibromatose sein – einer Krankheit, die in einem späteren Stadium oft zu erheblichen Wucherungen führt.
Ein prominentes Opfer dieser Erkrankung ist der 39-jährige britische Schauspieler Adam Pearson. Er leidet unter erheblichen Gesichtsverformungen und trat jetzt bei der Premiere des Films „A Different Man“ auf dem Filmfestival Berlinale vor die Kameras. „Die einzige Möglichkeit, die Wahrnehmung der Menschen zu ändern, besteht darin, sie sanft und freundlich damit vertraut zu machen“, sagte der Schauspieler auf der Berlinale-Pressekonferenz.
Chefarzt der Sana Klinik: Bademeister schmeißt Kind mit Neurofribromatose aus Schwimmbad
„Ich finde es extrem mutig, mit dieser Erkrankung an die Öffentlichkeit zu gehen“, meint Prof. Dr. Thorsten Rosenbaum, Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin an den Duisburger Sana Kliniken. Er hat in den USA an den Ursachen der Krankheit geforscht und gilt als einer der wenigen Experten in Deutschland auf dem Gebiet. Mittlerweile bietet der Chefarzt der Kinderklinik täglich eine Sprechstunde für Patienten mit der genetischen Erkrankung an.
Er behandelt rund 1000 Patienten von rund 25.000 im gesamten Land und ist damit neben seiner Chefarzt-Tätigkeit beinahe komplett ausgelastet.
Oft geht es um den richtigen Zuspruch. Rosenbaum hatte schon Eltern in seiner Sprechstunde, deren Kind das Schwimmbad verlassen musste. „Der Bademeister dachte, es sei eine ansteckende Krankheit. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich um eine Tumorerkrankung. Und die ist in keinem Fall ansteckend“, sagt der Duisburger Arzt.
Operieren der großen Geschwülste ist zwecklos
Bei Neurofibromatose treten an den äußeren Nerven schmerzhafte Wucherungen auf, die sich in jedem zehnten Fall zu bösartigen Tumoren entwickeln. Operieren ist bei großen Geschwülsten zwecklos, weil sie untrennbar mit dem Nervengewebe verwoben sind. In jedem zweiten Fall wird die Krankheit von den Eltern auf das Kind vererbt, ansonsten mutiert ein Gen. Zu Rosenbaums Patienten gehört auch ein Kind, dessen Mutter ebenfalls unter der Krankheit leidet und von ihm behandelt wird.
Das Gen, das zur Erkrankung führt, wurde 1990 in den USA entdeckt. Es ist so groß, dass eine Behandlung des Erbguts bisher unmöglich ist. Deshalb gibt es nach wie vor keine Heilung für die seltene Erkrankung, nur eine Behandlung der Symptome. „Das müssen wir aber richtig machen, damit es nicht schlimmer wird.“
Mittlerweile existiert ein Medikament, mit dem das Wachstum der Tumore gestoppt und die Wucherungen um 30 Prozent reduziert werden können. In Duisburg erhalten dieses Medikament zurzeit 28 Patienten.
Prof. Dr. Thorsten Rosenbaum: „Oft wird wichtige Zeit verpasst“
„Viele Eltern sind völlig panisch, wenn sie zu mir kommen. Sie haben in der Regel alles gelesen, was sie dazu im Internet finden, sind in Chat-Gruppen unterwegs und haben Videos auf Youtube gesehen“, sagt der Kinderarzt. Sollte die Erkrankung vorliegen, nimmt Rosenbaum sich viel Zeit für eine erste Beratung.
„Ich will die Eltern zum Anwalt der Erkrankung machen. Denn oft wird wichtige Zeit verpasst oder es werden unwichtige Untersuchungen gemacht, die zur falschen Behandlung führen.“ So wurde ein Junge, der zu ihm in die Klinik kam, vorher völlig umsonst am Auge operiert. „Das Kind ist jetzt erblindet, aber der Tumor noch da“, sagt Rosenbaum. Deshalb sei es so wichtig, mit der Krankheit zu Experten zu gehen, die sich damit auskennen.
Hoffnungsvoll stimmt ihn, wenn Familien auch ohne viel Geld alles möglich machen, um einem Kind mit der Erkrankung das bestmögliche Leben zu bieten. „Viele Kinder leiden unter Depressionen, sind Mobbing ausgesetzt und haben Lernstörungen. Da ist schon allein die Auswahl der richtigen Schule sehr wichtig.“
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Weitere Informationen zu der seltenen Krankheit Neurofibromatose unter www.bv-nf.de.
>> Bethesda-Krankenhaus informiert über Krebsrisiko in der Familie
- Das Bethesda-Krankenhaus nutzt den Tag der seltenen Krankheiten, um über das erhöhte Krebsrisiko zu informieren, wenn andere Familienmitglieder bereits daran erkrankt sind.
- Eine frühzeitige Diagnose könnte den Ausbruch der Erkrankung verhindern, so das Zentrum für Hereditäre Tumore.
- Kontakt telefonisch unter 0203 6008-3152 oder per Mail an zht.bethesda@evkln.de.