Duisburg-Hamborn. Beim Kinderkarnevalszug sollen im Vorjahr Mädchen belästigt worden sein. Nun führte er nicht durch Marxloh. So fühlten sich die Menschen am Zug.
Tausende Kinder und ihre Familien sind Tulpensonntag zum 60. Niederrheinischen Kinderkarnevalszug gekommen – einem der größten in Europa. Ihn kennt man sogar auf Teneriffa. Die dortige Blumenkönigin Selene ist mit ihrem Gefolge und einer Ehrengarde aus Düsseldorf in den Duisburger Norden gekommen. Ihrem Beispiel folgen zahlreiche Piraten, Prinzessinnen, Superhelden, Raubtiere, Teufelchen, Cowboys oder niedliche Drachen.
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Der Kinderkarnevalszug in Duisburg-Hamborn ist ein Fest für Familien
Viele Närrinnen und Narren haben sich bereits vor dem offiziellen Beginn am Hamborner Altmarkt versammelt, wo auch Imbissbuden, Karussells und eine Showbühne aufgebaut sind. So fiebern die Besucher dem Start entgegen. Als sich die ersten Spielmannszüge, Wagen und Fußgruppen pünktlich in Bewegung setzen, löst der vorausfahrende Streifenwagen besonders bei den kleinen Besuchern große Freude aus: „Hamborn, helau!“ schallt die heitere Stimme einer Polizistin aus den Lautsprechern. Die Kinder wissen: Jetzt fliegen endlich die Kamelle und Spielzeuge.
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Die Helau-Rufe von Polizei und Karnevalsvereinen schmettern sie laut und winkend zurück, so hoffen sie, die Karnevalisten mit den Bonbons auf sich aufmerksam machen zu können. Eifrig sammeln sie die geworfenen Leckereien vom Boden auf, oft unterstützt von ihren Eltern. Vergnügtes Kreischen erschallt, als Mädchen und Jungen ihre erste köstliche Beute machen.
Niederrheinischer Kinderkarnevalszug meidet Marxloh in diesem Jahr
Beim letztjährigen Kinderkarnevalszug soll es zu sexuellen Beleidigungen und Übergriffen durch Jugendgruppen gekommen sein. Sie haben dazu geführt, dass der närrische Lindwurm diemal nicht mehr durch Marxloh zieht.
Stattdessen führt die 1. Große Karnevalsgesellschaft Rot-Weiß Hamborn-Marxloh als organisierender Karnevalsverein alle Wagen und Fußgruppen von der Duisburger Straße zwischen der Tankstelle und dem Grillo-Chemiewerk links auf die Buschstraße. Nach weniger als einem Kilometer endet der Zug am Kreisverkehr mit der Jägerstraße und Richterstraße, unweit vom Altmarkt, wo er sich gut zwei Stunden viel bejubelt in Bewegung gesetzt hatte.
„Damit haben wir unseren Zug gerettet“, betonte der Vereinspräsident Axel Koch im Gespräch mit der Redaktion vor anderthalb Wochen. Die damalige Duisburger Kinderprinzessin sei sexuell beleidigt und mit Bonbons und anderen Gegenständen beworfen worden. Die Prinzessin soll deshalb „ganz aufgelöst“ und die Situation „zu viel für das junge Mädchen“ gewesen sein.
Es drohte das Aus der beliebten Traditionsveranstaltung
Sie blieb nicht das einzige Opfer. Jugendliche hätten Tanzmariechen unter die Röcke gegriffen und Handys dorthin gehalten, um Fotos und Videos von ihren Höschen aufzunehmen. Die Polizei Duisburg kann diese Vorfälle nicht bestätigen. Es liegen auch keine Anzeigen vor.
Aber zwei Vereine hatten ihre Wagen vorzeitig aus dem Umzug herausgezogen und ein halbes Dutzend Karnevalsgesellschaften zog die Reißleine und drohte mit einem Boykott, falls die Rot-Weißen den Zug wieder durch Marxloh führen würden. Ein so großer Einschnitt hätte das Ende der Veranstaltung bedeutet. Mit der neuen Strecke war dieses Schicksal abgewendet.
Doch die Organisatoren sahen noch weitere Vorteile durch den Rückzug aus Marxloh: Seit der Corona-Pandemie seien die Kosten explodiert. Durch die neue Strecke konnten gut 5000 Euro eingespart werden, weil weniger Security und Streckenposten und keine Shuttlebusse zurück zum Altmarkt eingekauft werden mussten.
Es regnete tonnenweise Kamelle auf die Närrinnen und Narren
Von einem abgespeckten Kinderkarnevalszug kann an diesem Tulpensonntag allerdings nicht die Rede sein. Es regnet tonnenweise Kamelle, wie es die Familien aus dem Duisburger Norden gewohnt sind. Bereits am Altmarkt, doch auch an der Sparkasse, wo eine Tribüne aufgebaut ist und die Rot-Weißen es mit einer ordentlichen Karnevalsparty krachen lassen.
Zuvor hat die Blumenkönigin im Rathaus ihren Empfang gegeben, traf dort auf die Kinderprinzencrew und den Stadtprinzen mit Gefolge. Zu Polka, Karnevalsliedern und spanischen Gitarrenklängen stimmten sich die Hamborner Jecken verschiedenster Vereine auf den Zug ein.
Tausende Familien sind mit bester Stimmung gekommen und säumen die Straßen. Anwohner jubeln an ihren Fenstern und auf ihren Balkonen, manche haben sogar kleine Haus- und Vorgartenpartys organisiert. So manches Kind begrüßt die Jecken einem ausgelassenen Tanz.
Viele Besucher kommen zum ersten Mal zum Kinderkarnevalszug
Viel mehr tolle Kostüme als sonst seien zu sehen, findet Kristina Darst, die möglichst nie einen Karnevalszug verpasst. Zwar findet das ehemalige Tanzmariechen Jenny Paolini die Routenänderung für die Kinder aus Marxloh sehr schade, aber für die Kinder aus den Vereinen genau die richtige Entscheidung.
Die meisten Eltern und Großeltern sind sich einig, dass die Traditionsveranstaltung vor allem ein Fest für die Kinder sei. Belästigungen und Beleidigungen dürfe man nicht tolerieren. Einige feiern ganz bewusst erstmals mit, um den Kinderzug zu unterstützen. Das beispielhafte Urteil eines Neulings: „Mega!“
Die Bilanz der Polizei Duisburg ist am frühen Sonntagabend ebenfalls positiv. „Es gibt bisher keine Anzeichen, dass es zu ähnlichen Vorfällen gekommen ist, von denen im letzten Jahr berichtet wurde“, so Polizeisprecher Daniel Kattenbeck. Die Polizei habe lediglich zwei Platzverweise erteilt, weil sich Besucher dem Zug zu sehr genähert hätten, um „ein paar Bonbons mehr sammeln zu können“.
Kinderprinz Leonardo trifft ein zurückgeworfenes Bonbon am Auge
Ein schmerzhaftes Erlebnis hatte ausgerechnet Kinderprinz Leonardo. Ein noch unbekannter Zugbesucher hat Bonbons aus der Menge zurückgeworfen. Eine Kamelle traf Leonardo schmerzhaft am Auge. „Die Kollegen haben eine Anzeige wegen Körperverletzung geschrieben. Die Person konnte bisher noch nicht ermittelt werden“, erklärt Kattenbeck.
Den Spaß am Karneval lassen sich die Mädchen und Jungen aus Marxloh auch mit geänderter Strecke nicht verderben. Sie kommen mit ihren Familien und Freunden zur Rhein-Ruhr-Halle. Dort sei es deutlich voller als sonst gewesen, hat der Marxloher Lokalpatriot und SPD-Politiker Claus Lindner beobachtet.
Nach Ende des Zuges hätten sich von dort so viele Leute zu Fuß Richtung Marxloh aufgemacht, „dass es fast so war, als wäre ein MSV-Spiel zu Ende und alle machen sich gleichzeitig auf den Weg.“ Auch Lindner hat einen friedlichen Zug erlebt und hofft, dass die Route nächstes Jahr wieder durch seinen Stadtteil läuft. „Marxloh gehört zu Karneval. Die Politik muss die Vereine in Sachen Sicherheitskonzept unterstützen, notfalls auch finanziell.“
Viele hoffen auf eine Rückkehr des Zuges nach Marxloh
Deniz Güner, Vorsitzender der Marxloher CDU, hofft ebenfalls auf eine Rückkehr des Kinderkarnevalszuges. „Der war immer ein Highlight für die Kinder des Stadtteils“, sagt er. Er habe mit Marxloher Jugendlichen gesprochen und sei auf große Bereitschaft gestoßen, den Zug dort wieder möglich zu machen. „Bis zu 20 Jugendliche haben mir zugesagt, sich im nächsten Jahr ehrenamtlich als Ordner zu engagieren, wenn der Zug zurück nach Marxloh kommt.“
In den nächsten Tagen wollen sich die Chefs der Hamborner Karnevalsvereine mit der Politik zusammensetzen. Bei dem Treffen geht es um eine Bilanz des Zuges und einen Ausblick auf das nächste Jahr. Erklärtes Ziel ist es, Marxloh 2025 möglichst wieder mit einzubeziehen. Die Chancen dafür sollten nach diesem Kinderkarnevalszug gut stehen.