Duisburg. Zwei Hausärzte haben ihre Praxis in Duisburg wegen unhaltbarer Zustände geschlossen. Ihr Vermieter ist für sie seit Jahren nicht mehr erreichbar.

Die beiden Hausärzte Dr. Hans-Albrecht von Chlingensperg und Alfred Heinrich haben ihre Gemeinschaftspraxis am ehemaligen St. Barbara-Krankenhaus in Neumühl nach Dauerärger mit dem insolventen Areal-Entwickler Harfid geschlossen. Für sie und die Patienten geht es dennoch weiter – wenn auch in einem anderen Stadtteil.

Schon seit Ende 2021 hatten die Mediziner fast keine direkten Kontakte mehr zu ihrem Vermieter Harfid. Anfragen und Probleme hat dessen freier Mitarbeiter Carsten Tum, früherer Planungsdezernent der Stadt Duisburg, entgegengenommen und geregelt.

Duisburger Ärzte haben Praxis am Lost Place St. Barbara-Hospital aufgegeben

Seit der Insolvenz von Harfid Ende 2022 gibt es überhaupt keinen Kontakt mehr zu dem Essener Bauunternehmen. Unzählige Versuche per Telefon, auf dem Postweg und mit E-Mails laufen ins Leere. Nach der schier unerträglich langen Funkstille ziehen die beiden Ärzte endgültig die Reißleine.

Die Situation in der Praxis an der Schroerstraße 2, gegenüber dem Haupteingang des verwaisten Krankenhauses, sei immer unerträglicher geworden, berichten die Ärzte. Da es von Harfid keine Hilfe gibt, ist „Selbsthilfe aus der Not geboren“ angesagt.

Die Praxis der beiden Hausärzte hat sich in unmittelbarer Nähe des Haupteingangs der verlassenen Klinik an der Schroerstraße befunden. Sie sollte nach dem Umbau ins Hautgebäude einziehen.
Die Praxis der beiden Hausärzte hat sich in unmittelbarer Nähe des Haupteingangs der verlassenen Klinik an der Schroerstraße befunden. Sie sollte nach dem Umbau ins Hautgebäude einziehen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Im gesamten Jahr 2022 und auch 2023 kommt es wiederholt zu Strom-, Heizungs- und Wasserausfällen. Die Ärzte schaffen eigene Generatoren an, die sie mehrfach in der Woche auftanken müssen. Dadurch seien ihnen hohe Zusatzkosten entstanden. Zudem wird mehrmals ins Gebäude eingebrochen, in dem sich auch noch das ungenutzte Harfid-Büro und die verlassene Handchirugie des früheren Krankenhauses befinden.

Die Praxis musste zwischenzeitlich sogar ungewollt eine Woche schließen

„Das alles war kein Zustand“, erläutert Alfred Heinrich, „und hat für schlaflose Nächte gesorgt, ging an Psyche, Körper und Geldbeutel. Zwischendurch mussten wir sogar die Praxis für eine komplette Woche schließen. Kein Strom, kein Wasser.“ Dadurch bleiben erste Patienten weg.

„Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, sagt Dr. Hans-Albrecht von Chlingensperg, „kein Mensch hat sich um uns gekümmert.“ Man habe im Grunde genommen gar keine andere Wahl gehabt, als die Praxis aufzugeben, resümieren die beiden Ärzte.

Den Schritt hätten sie viel eher vollziehen sollen, meinen von Chlingensperg und Heinrich rückblickend. Aber es gibt gute Gründe, so lange auszuharren: die Verbundenheit zum Stadtteil, die Sorge um die hausärztliche Versorgung in Neumühl und die Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen. Vor allem aber die Fürsorge für ihre Patienten hätten sie lange zögern lassen.

Im Juni 2023 kündigen die Hausärzte den Mietvertrag mit Harfid

Dann kommt der Punkt, an dem es einfach nicht mehr geht. Im Hausflur funktioniert seit Monaten kein Licht mehr. Das Ärzteduo lässt auf eigene Kosten Strahler anbringen, die mit einem Notstromaggregat betrieben werden. Dadurch entstehen wieder Extrakosten. Die Mieter stellen Regressansprüche, auf die Harfid allesamt nicht reagiert. Sie kündigen an, keine Miete mehr zahlen zu wollen und stellen die Zahlungen schließlich im März 2023 ein. Wieder kein Wort vom Vermieter. Das gilt auch für eine schriftliche Anfrage der Redaktion zu den Vorwürfen der Ärzte. Harfid hat darauf nicht geantwortet.

Im Juni 2023 schließlich kündigen die Mediziner den Mietvertrag fristgerecht zum Jahresende. Die Zeit bis dahin nutzen die beiden alteingesessenen Neumühler Ärzte, „um das Feld zu bestellen“. Wie gerne hätten Dr. von Chlingensperg (65) und Heinrich (72) die Praxis an Nachfolger übergeben. Doch das kommt allein aufgrund des unhaltbaren Zustandes der Praxis von vornherein nicht infrage.

Also habe man sich umgehört und eine tragbare Lösung gefunden – gemeinsam mit Dr. Guido Ackermann, zu dem die beiden schon seit langer Zeit Kontakt hatten. Der hat seine Praxis an der Kaiser-Friedrich-Straße 219 in Röttgersbach, „nicht ganz vor der Haustür, aber immer noch in der Nähe von Neumühl und gut erreichbar“.

Die meisten Patienten sind den Medizinern nach Röttgersbach gefolgt

„Ich bin inzwischen auch schon 64 und seit 25 Jahre hier Einzelkämpfer mit der vermutlich größten Einzelpraxis im Umfeld. Der Wunsch nach Entlastung wurde immer größer“, berichtet Dr. Ackermann. Schnell kam es zu einem „sinnvollen Einvernehmen“.

Dr. von Chlingensperg ist jetzt Angestellter bei Dr. Guido Ackermann und Alfred Heinrich übernimmt dort weiterhin Vertretungsaufgaben. Die Patientinnen und Patienten der Neumühler Gemeinschaftspraxis sind „ihren“ Ärzten fast alle gefolgt.

Auch für die Mitarbeiterinnen ist gesorgt. Zwei von ihnen arbeiten jetzt in der Praxis an der Kaiser-Friedrich-Straße, eine ist in Rente gegangen und die anderen sind allesamt bei verschiedenen Ärzten untergekommen. „Das alles beruhigt“, sagen die drei Mediziner, „und wir haben jetzt etwas mehr Zeit für unsere Hobbys, Sport, Familie und Freizeit.“

>> Ursprünglich hatten die Hausärzte vielversprechende Pläne mit Harfid

  • Nach Schließung des St. Barbara-Krankenhauses im Juli 2013 wurde den Ärzten versprochen, dass sie im Zuge der Neuentwicklung des gesamten Areals und des Umbaus des Hauptgebäudes dort mit der Praxis einziehen können.
  • Seit 2017 existieren konkrete Pläne inklusive Aufteilung der Räume für die neue Praxis, die nahezu maßgeschneidert waren. So hätten die Mediziner die medizinischen Geräte sowie die Ausstattung von Labor, Behandlungs- und Wartezimmern komplett weiter nutzen können.
  • „Diese Pläne bedeuteten Sicherheit und Zukunft für uns und für Neumühl“, sagen die Ärzte. Im Obergeschoss des umgebauten Haupthauses sollten Loftwohnungen entstehen, in der ersten Etage sollten eine kleine Ladenzeile und die barrierefreie Praxis Platz finden.