Duisburg/Mülheim/Oberhausen. Die Zahl der Menschen, die bei der Telefonseelsorge Duisburg/Mülheim/Oberhausen Hilfe suchen, steigt. Wie sich die Einrichtung darauf einstellt.
Die Telefonseelsorge Duisburg/Mülheim/Oberhausen feiert 2024 ihren 50. Geburtstag. Pünktlich zum Jubiläumsjahr übernimmt mit Georg Beckschwarte ein Neuer die Leitung – Olaf Meier hatte sich unlängst verabschiedet. Von einem Generationenwechsel kann man nicht unbedingt reden, dem 66-jährigen Meier folgt der 60-jährige Beckschwarte nach. Er hat zuvor viele Jahre im Schuldienst gearbeitet und verschiedene katholische Grundschulen, beispielsweise im Duisburger Norden und im Dellviertel geleitet. Doch da er dort „an die Grenzen des Systems gestoßen“ sei, widmet er sich nun noch einmal einer neuen Aufgabe.
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„Telefon ist mein Medium“, erklärt Beckschwarte. Bei seiner neuen Stelle kann er viele Fähigkeiten seiner früheren Jobs vereinen. Bevor er als Lehrer und Schulleiter arbeitete, war der Essener vier Jahre als katholischer Priester in Bottrop tätig. Nach seiner kompletten theologischen Ausbildung hängte er das Lehramtsstudium dran. „Zuhören ist mir wichtig.“ Außerdem sei Lebenserfahrung bei den Gesprächen mit den Anrufern durchaus von Vorteil.
Im vergangenen Jahr haben 17.586 Personen die Rufnummer 0800 1110111 gewählt, das waren rund 200 Telefonate mehr als 2022. Viele von ihnen rufen an, weil sie sich einsam fühlen und kaum noch jemanden zum Reden haben. Die meisten Anrufer sind eher älter. Die Jüngeren nutzen die Online-Möglichkeiten.
In den Mail- und Chat-Beratungen, insgesamt rund 700, sind die Themen durchaus härter. „Viel dreht sich um sexualisierte Gewalt oder selbst verletzendes Verhalten“, resümiert Olaf Meier. Und weiter: „Wir leisten Erste Hilfe am Telefon, sind für viele aber auch die letzte Station, wenn sie zum Beispiel austherapiert sind und nicht mehr wissen, mit wem sie reden können. Wir machen keine Therapie, wir sind Seelsorger.“
Jeder zweite Anrufer bei der Telefonseelsorge Duisburg/Mülheim/Essen äußert Suizid-Absichten
Andere Gespräche drehen sich etwa um Beziehungsfragen, psychische und physische Erkrankungen. Jeden zweiten Tag sprechen Personen auch über Suizid-Absichten. „Früher waren wir die erste Anlaufstelle, um an Beratungsstellen zu verweisen. Das hat sich komplett geändert.“ Akute Entwicklungen wie Corona oder der Krieg in der Ukraine würden zwar auch besprochen, doch meistens eher zeitversetzt. „Als die Loveparade passiert ist, haben alle in der Stadt darüber gesprochen. Wer nachhaltig Hilfe brauchte, weil er posttraumatisch belastet ist, hat sich erst ein paar Wochen später gezeigt. Dann kamen die Anrufe“, berichtet Meier.
Finanziert wird das ökumenische Angebot von den evangelischen Kirchenkreisen Duisburg, Mülheim und Oberhausen sowie dem Bistum Essen. 300.000 Euro steuern die unterschiedlichen Gremien bei. Hinzu kommen rund 100.000 Euro von einem Förderkreis, der etwa die Ausbildungskurse und Fortbildungen für die rund 120 ehrenamtlichen Mitarbeiter bezahlt.
An dem Angebot halten evangelische und katholische Kirche fest – trotz sinkender Mitgliederzahlen und Kirchensteuermittel. Andreas Brocke, Stadtdechant der katholischen Kirche in Duisburg, betont: „Kirche ist mehr als das, was Menschen sehen. Wir stellen uns die Frage, wie wir Menschen erreichen und begleiten können. Die Telefonseelsorge leistet einen wichtigen Dienst.“ Pfarrer Andreas Satzvey, Assessor im Evangelischen Kirchenkreis Duisburg, stimmt zu: „Als Kirche können wir den Rahmen stellen für die Ehrenamtlichen, die sich bei uns engagieren.
Die warten an zwei Telefonen – eines ist rund um die Uhr besetzt, das andere von mittags bis nachts. Wo sie sitzen und wer dort telefoniert, bleibt anonym. Brocke: „Das ist wichtig. Stellen Sie sich vor, es meldet sich eine Nachbarin und dann begegnen sie ihr das nächste Mal beim Einkauf. Das ist ähnlich wie bei der Beichte, da spreche ich die Person auch nicht an. Jeder hat das Recht selbst zu entscheiden, wann er das Thema wieder aufmacht.“ Die überwiegende Mehrheit der Ehrenamtlichen sei übrigens weiblich. Bei den Anrufern seien immerhin ein Drittel männlich.
Trotz Homeoffice und moderner Technik will die Telefonseelsorge auch weiterhin ihre Büros behalten. „Dann bleiben die Gespräche in diesem Raum und man hat nicht noch damit zu tun, wenn man später die Wäsche macht“, weiß Meier. Sein Nachfolger hat in den vergangenen Wochen übrigens immer mal wieder etwas zum Thema Künstliche Intelligenz in der Telefonseelsorge gelesen. Olaf Meier kann sich allerdings nicht vorstellen, dass dies eine große Rolle spielen wird. „Es geht um die menschliche Stimme und Empathie.“
>> Einrichtung sucht neue Ehrenamtliche, die sich engagieren wollen
Am 11. Januar startet ein neuer Ausbildungskurs für Interessierte, die die Telefonseelsorge langfristig als Ehrenamtliche unterstützen möchten. Das Hobby ist durchaus zeitintensive. Pro Monat sollte man 18 bis 20 Stunden einplanen. „Das machen die Ehrenamtlichen gerne. Wir sind 365 Tage im Jahr da und seit Gründung vor 50 Jahren sind nur vier Dienste nicht besetzt gewesen“, weiß der langjährige Leiter Olaf Meier.
Voraussetzung für den Einsatz als Ehrenamtliche ist der Ausbildungskurs und dass man selbst reflektiert und empathisch zuhören kann. Was am Telefon besprochen wird, bleibt anonym. Die Mitarbeiter bekommen einmal pro Monat Supervision, um über ihre Erfahrungen zu sprechen. Nähere Informationen gibt es unter der Rufnummer 0203 2951 3331 oder per E-Mail an buero@telefonseelsorge-duisburg.de