Duisburg. Der Hype um die Abnehmspritze hat unangenehme Folgen für Diabetiker. Patienten verzweifeln. Wen ein Arzt aus Duisburg vor Nebenwirkungen warnt.

Reality-Star Kim Kardashian soll sie genommen haben, der Tech-Milliardär Elon Musk auch: Der weltweite Hype um die Abnehmspritze hält an – mit unangenehmen Folgen für Diabetiker. Denn die nun vielfach für die Bauch-Weg-Spritze verwendeten Medikamente Ozempic und Trulicity sind sehr wirksam zur Behandlung der Zuckerkrankheit, aber schon seit Monaten schlecht lieferbar. Dies teilt der Duisburger Apotheker-Sprecher Christoph Herrmann auf Nachfrage der Redaktion mit.

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„Zu mir kommen Patienten, die wirklich verzweifelt sind“, berichtet Herrmann. „Vor Wochen rief mich sogar jemand aus Berlin an und fragte, ob ich Ozempic habe.“ Auch der erfahrene Diabetologe Hansjörg Mühlen und Axel Heidböhmer, Vorsitzender des Medizinischen Netzes Duisburg, einem Zusammenschluss von rund 50 Hausärzten in Duisburg, berichten aktuell von einer „gewissen Panik“ unter ihren Patienten.

Hype um Abnehmspritze: Diabetes-Medikament stark nachgefragt

„Ozempic ist eben ein Segen für Diabetiker“, erklärt Heidböhmer. „Sie sind dadurch sehr gut eingestellt, brauchen nicht mehr so viel Insulin. Und für Typ2-Diabetiker, die oft starkes Übergewicht haben, hat das Medikament auch noch den positiven Effekt des Abnehmens.“

Spricht von großen Lieferengpässen bei den Medikamenten Ozempic und Wegovy: Christoph Herrmann, Sprecher der Apotheker in Duisburg.
Spricht von großen Lieferengpässen bei den Medikamenten Ozempic und Wegovy: Christoph Herrmann, Sprecher der Apotheker in Duisburg. © WAZ | Heike Moellers

Seit es auch für die Bauch-weg-Spritze verwendet wird, sind Ozempic und Trulicity weltweit, aber vor allem in Deutschland Mangelware. Dies hat mehrere Gründe. „Hier kostet eine Ampulle Ozempic mit 0,25 Milligramm 79,79 Euro“, sagt der Apotheker-Sprecher Herrmann. „In vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel in den USA, ist das Medikament aber viel teurer. Für den Hersteller Novo Nordisk ist es also finanziell wesentlich lukrativer, Ozempic dorthin zu verkaufen.“

Im Ausland ist mit Ozempic mehr Geld zu verdienen

Mühlen, der seit 25 Jahren eine diabetologische Schwerpunktpraxis in Duisburg hat, berichtet sogar von deutschen Großhändlern, die auch lieber ins Ausland verkaufen, weil sie dort mehr Geld verdienen können. „Hinzu kommt, dass Novo Nordisk vom großen Erfolg des Medikaments überrascht worden ist und mit der Produktion nicht nachkommt. Dies liegt auch daran, dass es sich bei diesen Präparaten um Eiweiße handelt, die nicht so leicht herzustellen sind.“

Der erfahrene Diabetologe Hansjörg Mühlen nimmt zum Hype um die Abnehmspritze und die Folgen für Diabetes-Patienten Stellung.
Der erfahrene Diabetologe Hansjörg Mühlen nimmt zum Hype um die Abnehmspritze und die Folgen für Diabetes-Patienten Stellung. © Mühlen

Und schließlich gibt es laut Mühlen leider immer auch Ärzte, die die ethischen Grenzen sehr weit ziehen und das rezeptpflichtige Medikament Ozempic „an jeden privat verordnen, auch wenn kein Diabetes vorliegt“, so der Diabetologe. „Mir ist auch schon von Apothekern – allerdings nicht aus Duisburg – berichtet worden, die Ozempic unter der Ladentheke verkauft haben.“

Mit Wegovy ist zwar längst ein ebenfalls rezeptpflichtiges Medikament mit dem identischen Wirkstoff nur zum Abnehmen auf dem Markt. Es ist nach Angaben des Duisburger Apothekersprechers allerdings bei Preisen von 171 Euro für eine Ampulle mit 0,25 Milligramm mehr als doppelt so teuer. Außerdem werden die Kosten bei Wegovy im Gegensatz zu Ozempic nicht von den Krankenkassen übernommen. Trotzdem ist es laut Herrmann ebenfalls stark nachgefragt und bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht lieferbar.

Hersteller Novo Nordisk rechnet 2024 eher mit Verschärfung der Engpässe

„Ich habe überhaupt keine Vorstellung, wann sich dieses Problem bei Ozempic und bei Wegovy auflöst“, so Herrmann. Wie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker mitteilt, rechne der Hersteller Novo Nordisk im kommenden Jahr eher mit einer Verschärfung der Engpässe.

Für Diabetes-Patienten sei dies zwar keine schöne Nachricht, aber auch kein Grund zur völligen Verzweiflung, betonen die Ärzte Heidböhmer und Mühlen unisono. „Ich kann verstehen, dass sich Patienten ärgern, die gut eingestellt sind und nebenbei 25 Kilogramm abgenommen haben“, sagt der Diabetologe.

Es ist dann so, als würde man eine Zeit lang Golf statt Mercedes fahren.
Hansjörg Mühlen, Diabetologe

Es werde dann aktuell tatsächlich versucht, deutschlandweit Ozempic wiederzubekommen. „Wie ich höre, gelingt das einigen nach vier bis sechs Wochen“, so Mühlen. „Ansonsten gibt es immer noch viele Patienten, die auch mit anderen Medikamenten sehr gut eingestellt sind.“ Um den Unterschied zu verdeutlichen, zieht er diesen Vergleich: „Es ist dann so, als würde man eine Zeit lang Golf statt Mercedes fahren.“

Arzt verweist auf Nebenwirkungen

Angesichts des Hypes um die Abnehmspritze betont Heidböhmer, dass diese Medikamente auch Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Probleme, Übelkeit und Erbrechen mit sich bringen können. „Es sollte also schon eine ärztliche Indikation vorliegen, wenn Ozempic oder Wegovy eingesetzt werden“, stellt der Hausarzt aus Rumeln klar.

Und Mühlen hat noch diese wichtige Botschaft: „Die Basis fürs Abnehmen ist immer eine Ernährungsumstellung“, sagt der 60-Jährige. „Wer weiter täglich zwei Liter Cola trinkt und eine Tafel Schokolade isst, darf sich nicht wundern, dass die Pfunde nicht purzeln.“