Duisburg. Grundschulen, die Kinder im Verlässlichen Halbtag betreuen, wollen in den Ganztag wechseln. Warum sie Angst vor Klagen haben.
An zehn Grundschulen in Duisburg werden insgesamt 950 Kinder im Verlässlichen Halbtag betreut. Doch dessen Tage sind gezählt. „Alle zehn Schulkonferenzen haben Beschlüsse gefasst und sind auf die Stadt zugekommen“, berichtet Nicole Nierth vom Amt für schulische Bildung. Sie wollen Offene Ganztags-Grundschulen werden. Doch das ist gar nicht so einfach, wie sie bei der WAZ-Familienkonferenz berichtete.
Denn zentral für die Nachmittagsbetreuung der 6- bis 10-Jährigen ist ein Essensangebot. Aber nur die Albert-Schweitzer-Grundschule in Großenbaum hat bereits eine eigene Mensa. In Rahm müssen die Kinder zum nahen Vereinsheim laufen. Für den Doppelstandort KGS Barbaraschule und GGS Gartenstraße in Neumühl laufen Verhandlungen mit einem Bildungszentrum, für die Marienfeld-Grundschule in Rumeln könnte die Küche eines Jugendzentrums helfen, nahe der Pestalozzi-Grundschule in Rheinhausen sucht die Stadt weiter nach Möglichkeiten. Alle Anmietungen sollen nur dem Übergang dienen und perspektivisch durch Schulneubauten ersetzt werden, betont Nierth. Nur so könne man Abhängigkeiten vermeiden.
Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz: Schulen wollen Klagen verhindern
Die Schulen machen sich aus guten Gründen auf den Weg: Denn ab 2026 haben Erstklässler einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz. Eltern könnten ihn an einer VHT-Schule einklagen. Die Zeit ist knapp, der Druck groß.
Die Finanzierung der Plätze ist ein zusätzliches Problem, denn das Ministerium unterstützte die VHT-Plätze bislang mit 4000 Euro pro Jahr und Gruppe. Noch. Laut Erlass müssen die Städte ab dem nächsten Schuljahr eine einkommensabhängige Gebührenstaffelung einführen.
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Das würde zu der absurden Situation führen, dass ab 2026 Kinder im Offenen Ganztag umsonst bis 15 Uhr betreut werden, im VHT bis 13 Uhr aber je nach Einkommen für bis zu 200 Euro monatlich. Um das zu verhindern, will die Stadt alle Schulen bis zum nächsten Schuljahr in den Ganztag überführen. Dann müsste es auch keine neue Satzung geben.
Die Politik in Duisburg hatte sich 2021 entschieden, den Ganztag schrittweise beitragsfrei anzubieten.
In den Jahren zuvor habe es die Haushaltslage nicht ermöglicht, überhaupt Plätze einzurichten. „Seit 2020 richten wir jedes Jahr 1000 Plätze mehr ein“, verdeutlicht Nierth.
Grundschul-Neubauten müssen künftig Ganztagsgebäude sein
Sinnvoll sind bei künftigen Neubauten also Ganztagsgebäude, die alle Bedürfnisse mitdenken. Schulplaner Tobias Terpoorten bezeichnet das Problem als „dickes Brett. Viele Probleme sind identifiziert, wir hierarchisieren sie jetzt nach Dringlichkeit.“
Schon jetzt behelfen sich viele Schulen mit Multifunktionsräumen: Was morgens für den Unterricht reichte, muss am Nachmittag für die Betreuung funktionieren. „Wohnliche Räume sehen wir kaum“, bedauert Ganztags-Koordinatorin Heike Eckhardt. Auch Träger-Sprecher Christoph Gehrt-Butry wünscht sich mehr Räume, „in denen sich die Kinder wohlfühlen können“.
Bleibt noch die Frage, wie flexibel der Offene Ganztag künftig sein kann. Bianca Bettels würde ein Mittelding gefallen. Beruflich kann die Mutter nicht pünktlich nach der vierten Stunde am Schultor stehen. Aber um halb zwei oder zwei könne sie ihr Kind problemlos abholen. „15 Uhr finde ich einfach zu lang“, bedauert sie.
Nicole Nierth verweist auf das Land, das sich noch nicht konkret zu den künftigen Regelungen geäußert hat. „Wir müssen ein Angebot für mindestens acht Stunden bereitstellen, aber ob die Kinder verpflichtet sein werden, es auch zu besuchen?“