Duisburg. Mehr als 10.000 Beschäftigte der Stahl- und Chemie-Industrie für Unterstützung beim Umbau ihrer Unternehmen demonstriert. Was sie fordern.
Vor mehr als 10.000 Beschäftigten der Stahl- und Chemie-Industrie haben die Gewerkschaftsvorsitzenden Christiane Brenner (IG Metall) und Michael Vassiliadis (IGBCE) in Duisburg am Freitag einen Brückenstrompreis und verbindliche Förderzusagen der Bundesregierung für den Umstieg der energieintensiven Unternehmen in eine klimaneutrale Produktion gefordert. DGB-Bundesvorstand Stefan Körzell kritisierte das Strompaket der Bundesregierung als „weiße Salbe, die nicht hilft“. Zur Verständigung über die Zukunft der Industrie schlagen die Gewerkschaften einen „Transformationsgipfel“ bei Bundeskanzler Olaf Scholz vor.
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Weil sie die in Aussicht gestellte Unterstützung der Politik für den Umbau der Unternehmen durch das 60-Milliarden-Loch im Bundeshaushalt akut gefährdet sehen, machen die Gewerkschaften mobil. Fast 200 Busse rollten am Freitagmorgen vor das Tor 1 von Thyssenkrupp Steel (TKS) im Duisburger Norden.
Auf der Wiese vor der Hauptverwaltung drängten sich die Belegschaften der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann, der Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim, der TKS-Standorte Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund, in Südwestfalen und dem Sauerland sowie der Hüttenwerke aus dem Saarland. Dem bundesweiten Aktionstag „Brückenstrompreis jetzt!“ hatte sich auch die IGBCE angeschlossen, die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Aus den Lanxess-Betrieben in Uerdingen reiste eine große Delegation an.
IG Metall-Vorsitzende Brenner: 60 Milliarden Euro müssen aus Berlin fließen
„Ein wettbewerbsfähiger Industriestrompreis ist existenziell, das bisherige Paket reicht bei weitem nicht aus“, betonte Bettina Brenner. Deutschland drohe Deindustrialisierung und der Zusammenbruch der Grundstoff-Industrie. „Die 60 Milliarden Euro müssen fließen, sonst wird dieses Land ein anderes sein“, so die IG Metall-Vorsitzende.
Die Bundesregierung müsse nun die Schuldenbremse aussetzen, Förderbescheide für Stahlwerke, Gießereien und Schmieden auf den Weg bringen, den zügigen Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur gewährleisten. Brenner: „Wenn die Politik das nicht begreift, werden wir wieder auf die Straße gehen.“
Tausende Beschäftigte demonstrieren für Industriestrompreis
„Die Regierung muss jetzt liefern“, forderte Michael Vassiliadis. „Es ist kurzsichtig, nicht dafür zu sorgen, dass wir investieren können.“ Gewerkschaften und Unternehmen „wollen Deutschland modernisieren“, so der IGBCE-Vorsitzende, dazu brauche es den Schulterschluss mit der Politik. „Es kann nicht sein, dass man jetzt jene, die das umsetzen sollen, im Regen stehen lässt.“ Strom sei im Stahl und in der Chemie ein wichtiger Rohstoff für die Produktion: „Er muss billiger werden.“
Stahl-Betriebsrat: Förderungen sind Investitionen in klimaneutrale Zukunft
Dabei nimmt auch Tekin Nasikkol den Kanzler in die Pflicht. „Das muss Chefsache sein“, ruft der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp den Belegschaften zu. „Das von der Regierung vorgelegte Strompreis-Paket vermittelt die Botschaft: Industrie hat in Deutschland keine Zukunft“, so Nasikkol.
In einer kämpferischen Rede kündigt er harten Widerstand der Belegschaften an: „So geht man mit uns nicht um.“ Die Politik müsse sich nun über Parteigrenzen hinweg über die industrielle Transformation verständigen. Nasikkol: „Förderungen sind keine Geschenke, sondern Investitionen in die klimaneutrale Zukunft.“
>> BDG-PRÄSIDENT: DEN MITTELSTAND NICHT VERGESSEN
- Bei der industriellen Transformation dürften nicht nur die großen Konzerne im Fokus stehen, warnt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG), Clemens Küpper: „Wir vermissen das Interesse der Politik am Mittelstand.“ Eine Reaktion dürfe nicht erst dann erfolgen, „wenn es Entlassungen oder Verlagerungen gibt“.
- „Wir haben keine Zeit mehr“, sagt auch Markus Grolms. Ein Brückenstrompreis und der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur seien unverzichtbar für das Gelingen des Technologiewechsels. Auch der Arbeitsdirektor von Thyssenkrupp Steel will einen Transformationsgipfel, den in dieser Woche bereits Bernhard Osburg gefordert hatte. Der TKS-Vorstandschef ist auch Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl.