Duisburg. Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sieht Thyssenkrupp-Stahlchef Osburg die Klimaziele in Gefahr. Wie die Politik helfen könnte.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht ein 60-Milliarden-Loch in den Bundeshaushalt gerissen hat, fordert der Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE), Bernhard Osburg, einen Transformationsgipfel bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Der Umbau der deutschen Industrie hin zur CO2-neutralen Produktion, ob im Stahl oder in der Chemie, steht damit wieder einmal vor großen Unsicherheiten“, warnt auch der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats von Thyssenkrupp, Tekin Nasikkol.

Förderung der Direktreduktionsanlage im Duisburger Norden nicht betroffen

„Der Klima-Transformationsfonds steht im Prinzip nicht mehr zur Verfügung, damit sind die klimapolitischen Ziele des Landes in Gefahr“, warnte Osburg am Montagabend bei der Grundsteinlegung für ein Modernisierungsprojekt im Duisburger Norden. TKSE investiert dort im Zuge seiner „Strategie 20-30“ nach eigenen Angaben rund 800 Millionen Euro in ein neues Warmbandwerk und neue Aggregate.

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Nicht betroffen vom BVG-Urteil ist die 2-Milliarden-Euro-Förderung für den Bau einer Direktreduktionsanlage in Duisburg - hier gilt der im Sommer erteilte Förderbescheid von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dennoch befürchtet Bernhard Osburg „eine Vollbremsung der Industrie-Transformation“ als Folge des Richterspruchs: „Die Strompreis-Kompensation steht infrage, der Bau des Wasserstoff-Kernnetzes steht ebenso im Risiko wie der Bau von Kraftwerken.“

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne, li.) und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp, Tekin Nasikkol (r.), erwarten Lösungen von der Berliner Regierungskoalition.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne, li.) und der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp, Tekin Nasikkol (r.), erwarten Lösungen von der Berliner Regierungskoalition. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Dass auch die Klimaschutzverträge auf der Kippe stehen, trifft Thyssenkrupp mittelbar als 50-Prozent-Gesellschafter der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM). Über dieses Instrument soll der Bau einer Direktreduktionsanlage gefördert werden, die einen konventionellen Hochofen des Hüttenwerks im Duisburger Süden ersetzen soll. Die Investitionsentscheidung soll spätestens im nächsten Jahr fallen.

TKSE will bereits ab 2026 in die Produktion von grünem Stahl einsteigen. Die Direktreduktionsanlage im Duisburger Norden dürfe aber „kein Solitär bleiben“, warnt Osburg. Auch für die Chemie-Industrie sei ein Hochlauf der Wasserstoff-Wirtschaft zwingend erforderlich, um die Versorgung der Anlagen mit klimaneutral erzeugtem Brennstoff zu gewährleisten. Die Ungewissheit über die Förderung des Umstiegs in eine klimaneutrale Produktion schwäche die Unternehmen im internationalen Wettbewerb und sei „Gift für die weitere Transformation“.

Betriebsrat warnt: Scheitern der Transformation gefährdet tausende Arbeitsplätze

Ein Scheitern der Dekarbonisierung gefährde tausende Arbeitsplätze in der Industrie, sagt auch Betriebsratschef Nasikkol. „Es kann nicht sein, dass wir ständig auf die Straße müssen, um der Politik zu erklären, was auf dem Spiel steht.“ Schon das von der Regierung beschlossene Strompreis-Paket „verfehlt das Ziel, der energieintensiven Industrie die Transformation zu ermöglichen.“ Wer die Industrie in Deutschland erhalten wolle, dürfe das Ziel nicht immer wieder infrage stellen. Nasikkol kündigte einen weiteren Aktionstag der IG Metall für einen Brückenstrompreis am 24. November an.

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur erwarte von der Regierungskoalition, dass „alle jetzt konzentriert diskutieren, um Lösungen zu finden“. Der Überbringer der Botschaft stand am Montag in der ersten Reihe: Für SPD-Chef Lars Klingbeil war die Grundsteinlegung bei Thyssenkrupp eine Station seines Besuchs bei der NRW-Industrie.