Duisburg. Die Wahl des Kormorans zum Vogel des Jahres 2010 erhitzt die Gemüter der Angler: Sie fürchten um ihr Hobby. Denn sie sehen den Kormoran als Raubvogel, dessen Treiben die Fischbestände in den heimischen Gewässern bedroht.
Die Wahl des Kormorans zum Vogel des Jahres 2010 erhitzt die Gemüter – zwar nicht alle, die der Angler dafür umso mehr. Der Naturschutzbund setzt sich vor allem wegen der Verabschiedung einer EU-Richtlinie, die die Bejagung des Kormorans erlaubt, für den Vogel ein. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der „Problemvogel” fast ausgerottet, mittlerweile nisten in Deutschland wieder 24 000 Brutpaare. Grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte, wären da nicht die Angler, die den Verlust ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung und scheinbar auch den Verlust des weltweiten Fischbestandes fürchten.
„Diese Raubvögel nehmen dem Sportangler seine Erholung am Wasser”, meint Reiner Prasse, 2. Vorsitzender des ASV Schwafheim. Um seine schuppigen Freunde zu schützen, versucht der Moerser Angelsport Verein seine Gewässer zu bewachen – die Tötung des Fisches wollen sich die Angelfreunde schließlich nicht nehmen lassen.
Verluste abwenden
Selbst ist der Mann. „Unsere Gewässer werden jeden Tag von Mitgliedern unseres Vereins aufgesucht, um sehr große Verluste an Fischen möglichst abzuwenden”, klagt Prasse. Der Naturschutzbund ist allerdings der Auffassung, dass sich der Kormoran lediglich solche Fische angelt, die der ambitionierte Angler sowieso verächtlich zurück ins Wasser wirft. Beide Seiten präsentieren eine Fülle an vermeintlichem Beweismaterial. Objektive und verlässliche Studien sind Mangelware.
Für einen Konsens zwischen beiden Lagern ist es längst zu spät. Der Umgangston ist ruppig, die Ansichten sind radikal. „Das Kormoranproblem ist nur mit der Flinte zu lösen. Wie Ratten und Mäuse muss er konsequent bekämpft werden”, heißt es im Schreiben eines „älteren Fliegenfischers” an das zuständige Landesministerium. Der Vorstand des ASV Schwafheim sieht im Kormoran nicht nur einen gefräßigen, sondern auch extrem intelligenten und ausgebufften Raubvogel: „Er fällt täglich mit acht bis 20 Tieren ein. Sie gehen dann strategisch vor und treiben die Fische zum Ufer”, sagt der Bildhauer und Maler Prasse.
Umgangston ist ruppig, Ansichten sind radikal
Dr. Philip Dammann, Zoologe und Leiter des zentralen Tierlabors an der Uni-Klinik Essen, ist ob solcher Beobachtungen fasziniert: „Das wäre eine wissenschaftliche Sensation und enorm spektakulär. Dass Kormorane als Gruppe und mit Absicht so handeln, ist unvorstellbar.” Um ihren Rivalen endlich in die Flucht zu schlagen, nehmen sich die Angler am Niederrhein ein Vorbild an den neuen Bundesländern: „Der ostdeutsche Fischereiverband ist problem-orientierter. Das Eindringen des Fisch vernichtenden Kormorans in unsere Fischfauna wurde dort durch konsequente Bejagung, auch durch Ausblasen der Nester, verhindert.”
Zoologe Dammann beurteilt die Situation etwas anders: „Populationen regulieren sich durch die Begleitumstände, wie zum Beispiel das Nahrungsangebot. Die Natur reagiert darauf – ganz natürlich. Halbwissenschaftliche Wahrheiten zu verbreiten, halte ich für äußerst unseriös.”
Ein Einvernehmen zwischen Naturschützern und Anglern ist nicht in Sicht.