Duisburg-Meiderich. Beim Mammutmarsch wandern die Teilnehmer bis zu 55 km am Stück. Wer macht so etwas? Ein Stimmungsbild mit 55 Fotos vom Start in Duisburg.
Samstagmorgen, 6.30 Uhr im Landschaftspark Duisburg-Nord. 10 Grad, feuchte Luft, nasser Boden. Die Sonne ist gerade erst aufgegangen, der Himmel bewölkt. Und doch herrscht bereits reger Betrieb auf dem alten Werksgelände. Die ersten von insgesamt 8 000 Teilnehmenden bewegen sich zielstrebig durch die morgendliche Industriekulisse. Vor ihnen liegen 55 km quer durchs Ruhrgebiet, vorbei an der Zeche Zollverein, am Malakoff-Turm, an der Halde Haniel: Tatsächlich ein wahrer „Mammutmarsch“.
Großevent
Wer macht sowas? Und warum tut man sich das an? Jörg aus Mönchengladbach hat darauf eine einfache Antwort: „Weil ich’s kann!“ Er ist heute gemeinsam mit Tobi aus Mönchengladbach angereist. Extremsportler sind die beiden eher nicht. Was sie hier suchen, ist der Ausgleich zum Arbeitsalltag. „Das macht den Kopf frei und wird zur wahren Sucht“, schwärmt Tobi, der in Heidelberg als Maschinenführer arbeitet. In zwölf Stunden wollen die beiden Freunde spätestens im Ziel sein.
„Little Mammut“-Start in Duisburg: „Die Distanz ist der Gegner“
Für ungefähr die Hälfte der Teilnehmenden ist es nicht der erste Mammutmarsch. „Viele sind Wiederholungstäter, die schon an anderen Events teilgenommen haben“, bestätigt eine Sprecherin des Veranstalters. Der rechnet Samstag auf den Distanzen 55 km und 30 km mit insgesamt 8 000 Wanderer, am Sonntag gehen dann für die 45 km noch einmal rund 1 200 Menschen an den Start.
„Little Mammut“ heißt die Veranstaltung in Duisburg. Wer es wirklich wissen und die 100 km knacken will – für viele hier das ganz große Ziel – , der kann an beiden Tagen an den Start gehen. „Ein paar Extreme“ würden das wagen, sagt die Sprecherin, „teilweise auch als Training.“ Worum es beim Mammutmarsch nämlich geht sind Kilometer – je mehr, umso besser. „Die Distanz ist der Gegner und alle, die dabei sind, helfen einander“, so die Sprecherin. Anders als bei Marathonläufen spielen Endzeiten hier keine Rolle.
„Mein Mann würde das auch gar nicht schaffen“
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Das kann Petra aus Rheinland-Pfalz bestätigen. „520 km haben wir jetzt auf dem Tacho“, sagt sie. In einem Stempelheft ist jeder Marsch verzeichnet, Anhänger, die an Militärabzeichen erinnern, künden von den großen Wegmarken: 300, 400, 500 km. Petra und Sabine sind Schwestern, aus Speyer und Heidelberg sind sie heute angereist. Sieben oder acht Mammutmärsche haben sie seit 2019 schon zusammen bewältigt. Die Idee dazu hatte Petra: „Es hat mich gereizt, zu wissen, ob ich’s kann.“ Danach habe sie sofort „Blut geleckt“.
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Ob sie viel trainieren? „Eher nicht“, sagt Sabine. „Wir wandern gern im Pfälzer Wald und im Sommer fahren wir Fahrrad – das war’s.“ Die beiden Schwestern sind mittlerweile ein eingespieltes Team, ihre Männer haben sie zuhause gelassen. „Mein Mann würde das auch gar nicht schaffen“, sagt Petra und lacht. Zwölf Stunden Dauermarsch sind eben nicht für jeden etwas. „Ein bisschen verrückt ist es ja auch“, gibt Petra zu. „Man arbeitet normalerweise acht Stunden – und wir wandern dann noch mal vier Stunden weiter.“
Gegen Blasen hat jeder heute in Duisburg sein eigenes Rezept
Als Tipp gegen Blasen schwören Petra und Sabine auf Kompressionsstrümpfe. Rafael und Melanie aus Essen raten dagegen zu Hirschtalg. „Vorher einfach die Füße damit eincremen und fertig“, sagt Melanie. Für sie und ihren Mann ist es der erste Mammut – immerhin mit Heimvorteil. Und hat man sich denn zwölf Stunden etwas zu erzählen? „Das Schöne ist ja, dass man auch mit anderen ins Gespräch kommt“, sagt Rafael.
Die Gemeinschaft unter den Wanderern, die aus ganz Deutschland zusammengekommen sind, ist spürbar. Kurz bevor sich die erste Gruppe pünktlich um 6.40 Uhr auf den Marsch begibt, wird sich noch gemeinsam Mut gemacht. „Mammut“, ruft der Moderator ins Mikrofon, „Marsch“ schallt es von den Startenden zurück. Drei Mal. Dann setzt sich die Kolonne in Gang.
Um Mitternacht gehen am Landschaftspark Duisburg-Nord die Letzten durchs Ziel
Die ersten werden um 14 Uhr im Ziel erwartet, die letzten kurz vor Mitternacht. Die Teilnehmenden könnten sich darauf verlassen, „dass wir immer bis zum bitteren Ende bleiben“, sagt die Sprecherin des Veranstalters. Man wolle alle „gebührend empfangen“. Die 55 km würden um die 95 Prozent schaffen, bei den 100 km, die man andernorts auch am Stück – also durch die Nacht – laufen kann, seien es immerhin noch 40 bis 60 Prozent.
Unter die wollen es die Essener Marvin und Michael unbedingt schaffen. Gemeinsam mit Julia laufen sie heute zuerst die 55 km. Sonntag früh gehen Sie dann erneut an den Start: noch einmal 45 Kilometer. Ungefähr 130.000 Schritte zusammen. Der Durchschnittsdeutsche würde die in 26 Tagen hinter sich bringen.
Ohne Blasen mag das vielleicht gehen – Marvin setzt auf etwas zu große Schuhe. Ohne Schmerzen aber nicht. Wo es nach dem Marsch besonders wehtue? „Überall“, sagt Marvin und lacht, bevor er sich zusammen mit seinen Freunden an den Start begibt.