Duisburg. Das Amt für Arbeitsschutz hat seine Überprüfung zum Tod eines Arbeiters bei TKS in Duisburg-Bruckhausen abgeschlossen. Fragen bleiben.
Die Ursachen für den Tod von Refat Süleymann, der am 14. Oktober 2022 auf dem Werksgelände von Thyssenkrupp Steel (TKS) ums Leben kam, können womöglich niemals aufgeklärt werden. Das Amt für Arbeitsschutz der Bezirksregierung hat seine Untersuchungen abgeschlossen. „Die Unfallursache konnte leider nicht ermittelt werden“, teilt die Düsseldorfer Behörde auf Anfrage mit. Damit bleiben viele Fragezeichen zu den Ursachen des tödlichen Unfalls, bei dem der 26 Jahre alte Bulgare in einem Schlammbecken am Hochofen erstickt war.
Das Amt für Arbeitsschutz hatte die Untersuchungen zum Hergang unmittelbar nach dem Unglücksfall aufgenommen. Außerdem seien die nach den arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften erforderlichen Unterlagen, wie Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungsnachweise und Betriebsanweisungen, eingesehen und geprüft worden, berichtet Dagmar Groß, Sprecherin der Bezirksregierung. „Auch die Einsichtnahme in vertragliche Regelungen, aus denen sich Verantwortlichkeiten im Arbeitsschutz ableiten, waren Teil der Überprüfung.“ Das Ergebnis: Die Überprüfung habe keine Hinweise auf die Ursache ergeben.
Arbeiter erstickte bei TKS in Duisburg im metertiefen Schlammbecken am Hochofen
Der junge Bulgare war am Vormittag des Oktoberstages nach einer Pause aus bislang unerfindlichen Ursachen in ein metertiefes Schlammbecken auf dem riesigen Industrieareal gefallen und in dem zähen Schlamm erstickt (wir berichteten). Der 26-Jährige war bei der Firma Buchen Umweltservice beschäftigt, die mit Reinigungsarbeiten auf dem TKS-Gelände beauftragt war. Das Unternehmen ist langjähriger Vertragspartner von Thyssenkrupp Steel.
Auch die Kriminalpolizei hatte umfangreiche Nachforschungen angestellt. Ein Rechtsmediziner obduzierte die Leiche des Toten, die erst drei Tage später gefunden wurde. Die Ermittler des Kriminalkommissariats 11 gehen anhand ihrer Erkenntnisse von einem Unfall aus. Hinweise auf ein Fremdverschulden gebe es nicht, betonte die Polizei mehrfach.
Kripo und Arbeitsschutz: Keine Hinweise auf Fremdverschulden
Parallel untersuchte das Dezernat 56 der Bezirksregierung den Vorfall. Die Experten besichtigten den Unfallort im Umfeld des Hochofenbetriebs, auch sie befragten Kollegen des Toten – sie hatten das Verschwinden von Refat Süleyman bemerkt und eine großangelegte Suchaktion innerhalb und außerhalb des Werksgeländes ausgelöst. Auf die Frage, wie er – offenbar allein – an den Unfallort gelangt ist, gibt es keine Antwort. Der Bereich wird nicht von Kameras überwacht. Auch der Sturz in das Becken bleibt rätselhaft, weil Geländer die Wege sichern.
Mit dem Abschluss der Untersuchungen durch Bezirksregierung und Kripo stehen das Verfahren auch bei der Staatsanwaltschaft Duisburg vor dem Abschluss. Sie hatte von Amts wegen Ermittlungen eingeleitet. „Wir warten noch auf den Abschlussbericht der Bezirksregierung“, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Weitere Strafanzeigen lägen der Staatsanwaltschaft in diesem Fall nicht vor.
Wilde Gerüchte und Spekulationen in bulgarischen und türkischen Medien
Für alle Beteiligten, vor allem die Familie von Refat Süleyman, bleibt damit ein unbefriedigendes Ergebnis. Auch deshalb ist die Unruhe nach dem Todesfall weiter groß. Der bulgarische Verein „Stolipinovo in Europa“ ruft erneut zu einer Kundgebung vor dem Gebäude der Duisburger Staatsanwaltschaft auf.
Schon in den Tagen nach dem Unglück waren in der in der bulgarischen Community in Bruckhausen wilde Gerüchte und Spekulationen über die Hintergründe aufgekommen. An einem Trauermarsch durch den Stadtteil hatten sich 650 Menschen beteiligt. Viele von ihnen machten dem Unternehmen und der Polizei schwere Vorwürfe, sprachen von „Vertuschung“ und „Mord“. Die Ermittler und TKS widersprachen dem vehement. Auch Medien in Bulgarien und der Türkei griffen das Thema auf. Die Berichterstatter bezogen ihre Informationen allerdings lediglich aus Schilderungen der Angehörigen des toten Refat Süleyman.
>>KUNDGEBUNG AM SONNTAG VOR DER STAATSANWALTSCHAFT DUISBURG
- Der bulgarische Verein „Stolipinovo in Europa“ ruft für den kommenden Sonntag, 26. März, ab 13 Uhr, auf zur Demonstration vor der Staatsanwaltschaft Duisburg an der Koloniestraße 237. „Wir fordern die lückenlose Aufklärung des Todes von Refat Süleyman und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für alle Arbeitsmigrant*innen in der Industriereinigung“, heißt es in der Ankündigung des Vereins.
- In den vergangenen fünf Monaten habe „das Schweigen der Ermittlungsbehörden und des Unternehmens seinen Freunden und seiner Familie sowie der gesamten bulgarisch-türkischen Gemeinschaft keine Ruhe gelassen“, so der Verein weiter.
- „Die massiven Gesundheits- und Sicherheitsrisiken in der Stahlindustrie werden durch die Beschäftigung von Subunternehmen und deren Praxis der massiven Ausbeutung und des Missbrauchs noch verschärft“, kritisiert „Stolipinovo in Europa“.