Duisburg-Neudorf. Tauben sind die Ratten der Lüfte? Nicht für Aktivisten aus Duisburg. Wie die Tierschützer den vielen leidenden Tieren in Neudorf helfen wollen.

Tauben sind die Ratten der Lüfte? Nicht für Bianca Borghoff und ihre Mitstreiterinnen. Für sie sind Stadttauben keine Plage, sondern Tiere wie alle anderen auch. Kreaturen, die ein würdiges Leben verdienen. In ihrer Freizeit setzen sich die Tierschützerinnen deswegen für die Vögel ein. Zweimal pro Monat werden sie zu Eier-Dieben.

Duisburg-Neudorf: Für die Tauben werden Tierschützerinnen zu Eier-Dieben

Treffpunkt Tunnel: Es ist Wochenende, aber Bianca Borghoff, Anke Senter und Lina Starikovskaja haben alle Hände voll zu tun. Ausgestattet mit selbst gebastelten Greifwerkzeugen, für die sie Spaghettilöffel und Zollstock umfunktioniert haben, stehen sie vor dem Eisenbahntunnel an der Koloniestraße in Duisburg-Neudorf.

Eine kleine Taube sitzt in einer Nische im Tunnel Koloniestraße: „Den Tauben in der Stadt geht es nicht gut“, erklärt Tierschützerin Bianca Borghoff.
Eine kleine Taube sitzt in einer Nische im Tunnel Koloniestraße: „Den Tauben in der Stadt geht es nicht gut“, erklärt Tierschützerin Bianca Borghoff. © Bianca Borghoff

Aus den Nischen direkt unterhalb der Überdachung zwitschert es leise. „Das sind die Kleinen“, sagt Bianca Borghoff und zuckt mit den Schultern. Wenn es nach ihr ginge, wäre hier am besten gar nichts zu hören. Dann würden in der Unterführung überhaupt keine Vögel brüten.

Stadttauben sind keine wilden Tiere, sondern domestiziert

„Den Tauben in der Stadt geht es ja nicht gut“, erklärt Borghoff. Die Tiere, die eigentlich bis zu 40 Gramm Körnerfutter pro Tag benötigten, müssten sich von Abfall ernähren, hätten keine Lobby. „Dabei können sie ja nichts dafür. Sie haben sich das bestimmt nicht so ausgesucht.“

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Stadttauben seien nämlich keine Wildtiere, sondern domestiziert. „Es handelt sich um Haustiere, die von uns Menschen gezüchtet und ausgesetzt wurden, und um deren Nachkommen.“ Sie seien dazu verdammt, mehrmals im Jahr zu brüten, ganz unabhängig davon, wie die Temperaturen seien oder welches Futterangebot es gerade gebe. „Das wurde ihnen angezüchtet. Ein menschengemachtes Problem“, sagt Bianca Borghoff.

Manche Tauben fangen zu fauchen an

Alle zwei Wochen tauschen die 44-Jährige aus Wedau und ihre Helferinnen deshalb Tauben- gegen Plastikeier. „Manchmal ziehen wir den Tauben die Eier quasi unter dem Hintern weg“, erzählt Lina Starikovskaja. Nicht alle Vogeleltern lassen sich das gefallen. „Die meisten fliegen weg, aber manche fangen richtig zu fauchen an oder picken nach uns.“ Auf jeder Seite des Tunnels an der Koloniestraße gebe es 20 Brutpaare, denen sie allein in diesem Jahr schon mehr als 100 Eier abgenommen hätten. „100 Mal Tierleid weniger“, rechnet Lina Starikovskaja.

Die Taubennester befinden sich teilweise in vier Metern Höhe, da muss man nicht nur frei von Schwindel sein, sondern sich auch auf die Helferinnen am Boden verlassen können.
Die Taubennester befinden sich teilweise in vier Metern Höhe, da muss man nicht nur frei von Schwindel sein, sondern sich auch auf die Helferinnen am Boden verlassen können. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die 38-jährige Sozialarbeiterin aus Hochfeld legt eine Leiter an die Tunnelwand an und sichert sie mit geübtem Griff. Anke Senter klettert hoch. Die Taubennester befinden sich an dieser Stelle in vier Metern Höhe, da muss man nicht nur frei von Schwindel sein, sondern sich auch auf die Helferinnen am Boden verlassen können.

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„Hier sitzt ein Kleines“, ruft Anke Senter von oben. In diesem Fall waren sie zu spät: Die Eier wurden ausgebrütet, bevor sie ausgetauscht werden konnten. Ein Nest weiter sieht es besser aus: „Da hockt eine Tauben-Mama auf den Plastikeiern, die wir beim letzten Mal verteilt haben“, beschreibt die gelernte Tierarzthelferin aus Friemersheim, die auch verletzte oder kranke Tauben bei sich aufnimmt und gesund pflegt.

Tauschaktionen sind Tropfen auf dem heißen Stein

Sie und die anderen insgesamt rund 20 bis 25 Helferinnen und Helfer haben sich bei Facebook kennengelernt und die Gruppe „Stadttauben Duisburg“ gegründet. „Noch sind wir kein Verein, sagt Bianca Borghoff. „Wir haben einfach beschlossen, uns gemeinsam für die Stadttauben starkzumachen.“ Die Stadt Duisburg wisse davon. Unterstützung gebe es aber nicht. „Obwohl das, was wir hier in unserer Freizeit machen, eigentlich großflächig erledigt werden müsste.“

Das Veterinäramt der Stadt habe in der Vergangenheit sporadisch Informationen von Taubenschützern bekommen, heißt es dazu von der Stadt. „Die Maßnahmen erfolgen aber nicht in unserem Auftrag“, so Stadtsprecher Malte Werning. „Tauben-Management ist keine Pflichtaufgabe einer Kommune.“ Es stünden deshalb auch keine Mittel zur Verfügung, um die Eier an einem Bauwerk der Deutschen Bahn auszutauschen.

Bianca Borghoff bedauert das. „Wir haben allein am Bahnhof drei Schwärme“, erklärt sie. Konsequenter sei es, stadtweit mehrere betreute Taubenschläge einzurichten, in denen die Vögel leben könnten. „Dort wären sie in Sicherheit und unter Kontrolle.“

Vorbilder sind Augsburg, Essen und Krefeld

Vorbild ist hier unter anderem die Stadt Augsburg, die seit mehr als 20 Jahren auf betreute Taubenschläge setzt: Im Stadtgebiet gibt es rund 14 Taubenschläge und Türme, die bis zu 200 Vögeln Unterschlupf bieten und in denen die Tiere kontrolliert gefüttert werden. „Aber auch die Stadt Essen macht das gut und Krefeld ebenso“, sagt Bianca Borghoff. Vorteil der Taubenschläge sei, dass die Tiere hier auch mit der sogenannten Taubenpille versorgt werden könnten.

Tatsächlich arbeitet die Stadt Duisburg aktuell an einem Konzept, um die Vermehrung der Tauben einzuschränken. „Die Einrichtung eines Taubenschlages erweist sich aber als sehr aufwendig und ist nur realisierbar, wenn dies durch feste ehrenamtliche Strukturen getragen werden könnte“, erklärt Stadtsprecher Werning.

Im Gegensatz zu vielen anderen Städten verfüge Duisburg nicht über entsprechend organisierte Vereine. Auch habe ein Taubenhaus „auf die Stadttaubenpopulation nur eine sehr begrenzte räumliche Wirkung“. Zurzeit würden deswegen Alternativen geprüft, um den Taubenbestand besser zu kontrollieren.

>> Stadt Duisburg beobachtet Taubenpopulation „mit Sorge“

  • Die Entwicklung der Taubenpopulation wird von der Verwaltung „mit Sorge“ beobachtet. „In zunehmendem Maße beklagt die Bürgerschaft das Überhandnehmen wildlebender Tauben und die damit einhergehenden Unzuträglichkeiten“, heißt es auf der Internetseite der Stadt.
  • Eltern seien beängstigt, wenn Kinder mit Taubenkot in Berührung kommen oder Hauseigentümer berichten von erheblichen Schäden an Gebäuden, so die Stadtverwaltung.
  • Eine Fütterung der Tauben bewirke, dass die Tiere durch das reichliche Nahrungsangebot dazu veranlasst werden, auch im Winter zu brüten und sich damit noch stärker zu vermehren. In Duisburg ist die Fütterung deshalb verboten. Verstöße können mit einer Geldbuße von bis zu 1000 Euro geahndet werden.