Duisburg. Das Solidaritätskonzert der Duisburger Philharmoniker besuchten viele geflohene Ukrainer. Nicht nur deshalb war es ein bewegender Abend.

Sehr kurzfristig hatten die Duisburger Philharmoniker dieses Solidaritätskonzert für die Ukraine am Jahrestag des russischen Überfalls organisiert. In die gut besuchte Mercatorhalle kamen auch viele nach Deutschland geflohene Ukrainer, um das Jugendorchester ihrer Heimat und die Duisburger Philharmoniker zu erleben. Bereits am Eingang wurden Spenden gesammelt, mit denen Hilfsprojekte unterstützt werden.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Als Geiger Taras Zdaniuk sein eigenes Stück „7:12. Der erste Fliegeralarm“ beginnt, geht ein leises Raumen durch den Saal, denn auf seinem Instrument imitiert er den Klang einer Alarmsirene. Aus diesem Beginn entwickelt der Musiker ein Komponist eine kunstvoll klagende Musik. Danach spielen Mitglieder der Duisburger Philharmoniker einen Ausschnitt aus einem Klavierquintett des ukrainischen Komponisten Borys Ljatoschynskyj, und die Ukrainer musizieren ein Stück von Paul Hindemith.

Duisburgs OB Link unter den Gästen: „Die Spenden- und Hilfsbereitschaft ist bewegend“

Oberbürgermeister Sören Link berichtet in seinem Grußwort: „Viele Menschen haben bei uns Schutz vor der Aggression gesucht, und die Spenden- und Hilfsbereitschaft ist bewegend!“ Link verweist auf die Verleihung des Duisburger Musikpreises an das Youth Symphony Orchestra of Ukraine im Jahr 2022 und betont: „Wir verbringen diesen Abend in Hoffnung auf Frieden und Freiheit für die Ukraine.“ Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Shum ist per Videoeinspielung präsent und erinnert an die russischen Angriffe auf Zivilisten und den Massenmord in Butscha, dankt aber auch für die deutsche Hilfsbereitschaft und die Aufnahme von Flüchtlingen. Ihr Fazit: „Wenn wir wollen, dass in Europa dauerhaft Friede herrscht, muss die Ukraine diesen Krieg gewinnen!“

Als Gründerin und Chefdirigentin des Ukrainischen Jugendorchesters spricht Oksana Lyniv und berichtet: „Viele unsere Musiker haben durch den Krieg nicht nur ihre Wohnungen und Städte verloren, sondern auch ihre Freunde und Angehörige.“ Eigentlich soll Lyniv aufgrund ihrer vielen internationalen Verpflichtungen nur eine Ansprache halten, doch sie verrät: „Als ich gestern diesen Saal gesehen habe, konnte ich nicht widerstehen, heute auch selbst zu dirigieren!“

Dvorak-Sinfonie ist für junge Musiker eine große Herausforderung - der Funke springt aber über

So steht sie bei der Kammersinfonie für Violine und Orchester Nr. 1 op. 14 des ukrainischen Komponisten Vitaliy Hubarenko am Pult ihres Jugendorchesters. Das Stück erinnert mit seiner herben Tonalität an Schostakowitsch. Zwar entstand das eindringliche Werk bereits 1967 aber an dem Jahrestag des Überfalls Russlands auf die Ukraine hört man aus dieser Musik ein permanentes Wechselspiel zwischen Bedrohung und Hoffnung.

Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link besuchte das Konzert.
Auch Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link besuchte das Konzert. © Fotodesign Breidenstein

Starker Solist an der Geige ist Lynivs Ehemann Andrii Murza, der Mitglied der Düsseldorfer Symphoniker ist. Mit der Sinfonie Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der Neuen Welt“ erklingt schließlich eine der beliebtesten Werke der klassischen Musik überhaupt. Das Ukrainische Jugendorchester und die Duisburger Philharmoniker musizieren die Dvorak-Sinfonie gemeinsam. Auch wenn diese Sinfonie eine der größten Hits der klassischen Musik ist, klingt sie unter dem Dirigat von Nataliia Stets nicht abgegriffen, sondern spannungsgeladen und gut disponiert. An einigen Stellen hört man, dass dieses Werk für die jungen Musiker eine große Herausforderung darstellt. Aber dem Orchester gelingt es mit Dvoraks Musik, welche das Vorbild für alle großen Wild-West-Filmmusiken ist, den Funken auf das Publikum überspringen zu lassen, das nach jedem Satz herzlich applaudiert.

Direkt nach dem Schlussakkord erhebt sich die Hörer sogar zu stehenden Ovationen. Nataliia Stets und Oksana Lyniv entfalten die ukrainische Fahne, und die Ukrainer im Publikum rufen in Sprechchören „Ehre der Ukraine!“ und „Ruhm den Helden!“

>> Oksana Lyniv hat eine steile Karriere gemacht

Oksana Lyniv hat in den vergangenen Jahren eine steile Karriere gemacht. Von der Assistentin Kiril Petrenkos an der Bayerischen Staatsoper wechselte sie 2017 als Chefdirigentin an die Grazer Oper. 2021 war sie als erste Dirigentin bei den Bayreuther Festspielen zu erleben und leitete „Der fliegende Holländer“. Seit 2022 ist sie Generalmusikdirektorin des Teatro Comunale in Bologna. In der nächsten Spielzeit dirigiert sie an der New Yorker Metropolitan Opera Puccinis „Turandot“.