Duisburg. Die Erdbeben haben auch Duisburgs türkische Partnerstadt Gaziantep hart getroffen. Viele Duisburger bangen um Verwandte. So hilft die Stadt.
Die verheerenden Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion mit mehreren tausend Toten und Verletzten haben auch Duisburgs Partnerstadt Gaziantep im Südosten der Türkei brutal getroffen: Die Epizentren der ersten beiden schweren Beben lagen ganz in der Nähe der Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt, mit der Duisburg seit 2005 eine Städtepartnerschaft verbindet. Viele Duisburgerinnen und Duisburger mit türkischen Wurzeln leiden und bangen mit, weil sie Verwandte und Freunde in der Region haben – und zu manchen von diesen nun keinen Kontakt. In Duisburg bemühen sich Stadtverwaltung und Feuerwehr indes, schnell erste Hilfsgüter auf den Weg ins Katastrophengebiet zu schicken.
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Die Menschen dort waren um 4.17 Uhr, um 2.17 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, aus dem Schlaf gerissen worden, weil die Wände wackelten und Gebäude einstürzten. Ab etwa 6 Uhr stand in Duisburg das Handy von Selcuk Kilic nicht mehr still. Der Unternehmer aus Neumühl hat viele Verwandte in Gaziantep und Umgebung, seine Eltern stammen von dort. „80 Prozent meiner Familie sind dort“, sagt der 39-Jährige. Vier seiner Verwandten seien „aktuell noch verschollen“, erklärt Kilic um 14 Uhr.
Erdbeben in der Türkei: Duisburg schickt Hilfsgüter nach Gaziantep
Bereits ab dem Morgen organisiert der Geschäftsmann (u.a. Derewa Brand- und Wasserschadensanierung) Hilfe für Gaziantep, etwa über TIAD, den Türkisch-Deutschen Unternehmer- und Akademikerverein. Und auch im Gespräch mit Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link.
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Der OB kündigt am Vormittag via Facebook Hilfe für „unsere Partnerstadt“ an. Er habe „direkt mit der türkischen Generalkonsulin telefoniert, meine Anteilnahme ausgedrückt und unsere Hilfe zugesagt. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der hunderten Toten und bei den Verletzten in Gaziantep und in der ganzen Region, aber auch bei allen Duisburgerinnen und Duisburgern, die sich um Freunde oder Familie sorgen.“
Große Hilfsbereitschaft: „Ich könnte heulen. Ich bin stolz auf Duisburg.“
Auch Erkan Üstünay, der Vorsitzende des hiesigen Integrationsrates, betont: „Es gibt in Duisburg eine sehr große Gaziantep-Community.“ Dass so viele Duisburger ihre Wurzeln in der ostanatolischen Stadt haben, war einer der Gründe, die 2005 zur Städtepartnerschaft zwischen Gaziantep und Duisburg führten. Erst vorigen September war eine Delegation von Duisburg Business & Innovation (DBI) unter Leitung von Rasmus Beck in Gaziantep. Dabei waren auch Mitglieder von TIAD und Vertreter des deutsch-türkischen Unternehmerverbandes ATİAD, um Kontakte zu knüpfen und Beziehungen zu pflegen.
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Auch Kilic war damals mitgereist. Am Montagmittag nach der Katastrophe sagt er zur „riesigen Anteilnahme und Hilfsbereitschaft“ in Duisburg: „Ich könnte heulen. Ich bin stolz auf Duisburg.“ Die schnelle Unterstützung von hier ermutige auch Betroffene in Gaziantep.
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Dort erreichen Anrufer am Montag stundenlang niemanden mehr telefonisch: Festnetz- und Mobilnetze sind zerstört oder überlastet, „und die Leute haben alle die Gebäude verlassen, weil es so viele Nachbeben gibt“, so Kilic. „Viele Häuser stürzen nach und nach ein.“
Aus der Stadt kursieren Bilder, die zeigen, wie Menschen, teilweise in Decken gehüllt, abtransportiert werden. Angaben zur Zahl der Toten und Verletzten dort gibt es noch nicht. Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge wurde auch die Burg stark beschädigt, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählt. Der Flughafen in Gaziantep bleibt vorerst für zivile Flüge geschlossen.
Landen soll dort möglichst schnell auch eine Turkish-Airlines-Maschine mit Hilfsgütern aus Duisburg an Bord. Stadtsprecherin Susanne Stölting berichtet, die städtischen Katastrophenschützer versuchten „auf allen Kanälen, die Menschen und Behörden in Gaziantep zu erreichen“, um herauszufinden, was dort am drängendsten gebraucht wird. Die Feuerwehr hat einen 40-Fuß-Seecontainer mit Notbetten, Decken und Hygieneartikeln fertig befüllt, der möglichst schnell ausgeflogen werden soll.
Oberbürgermeister Link ruft außerdem zu Spenden für die Erdbebenopfer in Gaziantep auf; die Stadt hat das Spendenkonto „Duisburg hilft“ eingerichtet (IBAN DE 72 35050000 0200920098, Sparkasse Duisburg, Stichwort Erdbebenhilfe). „Um den Menschen vor Ort so schnell und so unkompliziert wie möglich zu helfen, haben wir mit den Duisburger Wohlfahrtverbänden ein Spendenkonto für die Erdbebenopfer bereitgestellt.“ Link verspricht: „Mit Ihrer Unterstützung werden wir den Menschen, die in diesen Stunden jede Hilfe bitter nötig haben, mit voller Kraft zur Seite stehen.“ Und appelliert: „Bitte helfen Sie den Menschen, die von einem auf den anderen Moment den derzeit eisigen Temperaturen vor Ort schutzlos ausgesetzt sind.“ Nachts sinken die Temperaturen zurzeit auf minus sieben Grad, erklärt Kilic.
Er warnt türkeistämmige Menschen vor Spendenaufrufen Krimineller im Internet: „Diese falschen Spendenaufrufe von Betrügerbanden kursieren schon seit Montagmorgen im Internet.“ Der 39-Jährige will nun schnellstmöglich selbst nach Gaziantep fliegen, um vor Ort anzupacken und Hilfe zu koordinieren. Hilfsangebote gebe es in überwältigender Anzahl, sagt er gerührt: „Gerade hat mich ein Unternehmer angerufen, der jetzt bereit wäre, 2000 Heizstrahler und 3000 Handtücher zu spenden.“
>> Bärbel Bas und Rasmus Beck posten Anteilnahme
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas äußerte sich ebenfalls in den sozialen Medien:„Die Bilder und Nachrichten, die uns von den schweren Erdbeben aus der Türkei und Syrien erreichen, machen auch mich sprachlos. Meine Gedanken sind bei den Opfern des Erdbebens und ihren Familien. Ihnen wünsche ich viel Kraft in diesen schweren Stunden. Betroffen ist auch die Partnerstadt Duisburgs Gaziantep. Ich bin überzeugt, gemeinsam mit unserem Oberbürgermeister Sören Link werden wir Duisburgerinnen und Duisburger tun, was wir können, um die Menschen vor Ort zu unterstützen.“
Rasmus C. Beck, Geschäftsführer von Duisburg Business & Innovation (DBI), drückte seine Betroffenheit ebenfalls in einem Facebook-Post aus: „Die Meldung über das zweitstärkste Erdbeben in der Geschichte der #Türkei lassen uns in #Duisburg schockiert und in Trauer zurück. In unserer Partnerstadt #Gaziantep sind bisher 80 Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden verletzt. Unsere Gedanken sind bei den Opfern des Erdbebens und ihren Angehörigen. Geçmiş olsun Türkiye. Vefat edenlere rahmet, yaralılara şifalar diliyorum. #Deprem“
>> Städtepartnerschaft verbindet Duisburg und Gaziantep seit 2005
Mit Gaziantep pflegt die Stadt Duisburg seit 2005 partnerschaftliche Beziehungen. Die Stadt hatte sich auf der Suche nach einer deutschen Partnerstadt auch an Duisburg gewandt. „Im November 2004 kam es auf der Grundlage vielfältiger Kontakte Duisburger Mitbürger, die ihre Wurzeln in der ostanatolischen Stadt haben, zu ersten freundschaftlichen Gesprächen mit der Stadtspitze Gazianteps, dessen Oberbürgermeister als Arzt einige Zeit in Deutschland gelebt und gearbeitet hatte“, blickt die Stadtverwaltung auf den Beginn der Städtepartnerschaft zurück: „Die speziellen Merkmale der Stadt versprachen lebendige Austauschbeziehungen, die den wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Austausch fördern und zudem einen wichtigen Akzent für das multiethnische Zusammenleben in Duisburg setzen würden.“ (mit dpa und AFP)