Duisburg. Einzig die Tierklinik Kaiserberg bietet in Duisburg einen tierärztlichen Notdienst an. Nun soll er Pflicht werden. Das birgt neue Probleme.
In Duisburg bietet nur noch die Tierklinik Kaiserberg rund um die Uhr einen Notdienst an. Nachts brennt dort die Hütte. Die Patienten kommen von weit her. Tiere und Halter müssen viel Zeit mitbringen. Mitunter sehr viel Zeit. Denn die Duisburger Tierarztpraxen haben sich lange auf die Tierkliniken verlassen und ihren Notdienst eingestellt. Auch die Kliniken in Asterlagen und Homberg stiegen aus dem 24-Stunden-Notdienst aus und gaben dafür sogar ihren Status als Tierärztliche Klinik ab.
Das könnte sich bald ändern. Denn die Tierärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe wollen künftig alle Praxen im Land verpflichten, Notdienste anzubieten. Beide Kammern haben in ihren Gremien einstimmig beschlossen, das Heilberufegesetz entsprechend zu ändern. Denn Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland, in dem dieses Landesgesetz keinen tierärztlichen Notdienst vorschreibt.„Unser Vorschlag liegt jetzt in den zuständigen Ministerien für Landwirtschaft und Gesundheit in Düsseldorf. Die Gesetzesänderung müsste dann vom Landtag beschlossen werden“, sagt Karl-Andreas Bulgrin, Präsident der Tierärztekammer Nordrhein. Er hofft, dass dies noch in diesem Jahr über die Bühne geht.
Ob allerdings die Gesetzesänderung kommt, ist ungewiss. Also bleibt der Druck auf die Tierklinik in Duissern bestehen. Sie ist eine von nur noch neun in Nordrhein-Westfalen. 30 bis 40 tierische Patienten behandeln die Ärzte an der Wintgensstraße während des Notdienstes zwischen sieben Uhr abends und sieben Uhr morgens im Schnitt. Am Wochenende sind es pro Tag rund 120 bis 140.
Tierklinik Kaiserberg: Zwei Ärzte sind im Nachtdienst
Das hört sich eigentlich machbar an. Aber die Notfall-Behandlung kann lange dauern, bis zu zwei Stunden. Beispiel: Ein Hund hat Rattengift geschluckt. Der Befund muss erstmal diagnostiziert werden. Dafür wird das Blut untersucht. Eine Ultraschall-Untersuchung ist notwendig, gegebenenfalls eine Operation. „Wir müssen die Blutung stoppen, sonst stirbt der Hund“, sagt Tierarzt Dr. Jochen Spennes. Gleiches gilt beim Unfall, bei einem Krampf, einer Magendrehung oder einem Milztumor. Um diese Fälle kümmern sich nachts zwei Ärzte.
Dr. Jochen Spennes, der 46 Jahre alte Tierarzt, der auf seinem Hof in Meerbusch wie auf einer Arche Hund, Pony, Esel und Maulesel, Hühner und Gänse und selbst Bienen beherbergt, hat stets das Wohl des Tieres im Blick. Er lehnt es ab, Notfälle nur so zu behandeln, damit Tiere die Nacht überleben.
Auch der Ruf der Klinik spiele dabei eine Rolle. Verärgerte Tierbesitzer lassen gerne ihre Wut im Netz raus, begründet oder unbegründet. Da will kein Arzt Fehler machen.
Die Probleme hinter den Notdiensten sind vielschichtig
Spennes, einer von fünf Geschäftsführern der Tierklinik, hält den Notdienst für wichtig. Aber es wird immer schwieriger, ihn anzubieten. Das liegt vor allem an fehlendem Personal. Es werden an den fünf tierärztlichen Hochschulen in Deutschland einfach zu wenige Tierärzte ausgebildet. Und die weit überwiegende Zahl sind Frauen, die bei Schwangerschaft ausfallen und häufig in Teilzeit zurückkehren. Gleichzeitig steigt die Zahl der Haustiere. Die Besitzer gehen häufiger zum Arzt. Die Behandlungen und Beratungsgespräche dauern länger.
Dann das Thema Arbeitszeit: Die angestellten Ärzte, und das ist die Mehrheit, müssen akribisch Buch führen. Nach der Arbeit ist eine Ruhezeit von elf Stunden Pflicht. Das wird von Gewerbeaufsicht und Zoll überprüft. Bei Verstoß drohen saftige Strafen. „Eine Klinik musste knapp 20.000 Euro zahlen“, weiß Spennes zu berichten. Die Arbeitszeitregelung macht es kleinen Tierarztpraxen mit wenigen Mitarbeitenden fast unmöglich, Notdienste zu machen. Selbst nach einer telefonischen Beratung am Sonntagabend fällt ein angestellter Arzt bis Montagmittag aus.
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Für Tierärzte gibt es keine Tarifverträge
Humanmediziner haben das Problem mit der Arbeitszeit auch. Aber dort gibt es Tarifverträge, die Ausgleichszeiten für Ärzte regeln. Und die existieren für Tierärzte nicht, weil es keine Tarifpartner gibt, die das in Verträgen regeln könnten. „Wir wollen dabei helfen, Tarifparteien zu schaffen“, sagt Kammerpräsident Bulgrin. Das könnte aus seiner Sicht ein Schritt sein, das vielschichtige Problem rund um die Notdienste zu lösen. „Trotz aller Probleme gibt es Städte und Kreise, die Notdienste anbieten“, sagt Tierärztin Nicole Glashagel, bis Ende vergangenen Jahres Kreisstellenleiterin der Tierärztekammer Nordrhein für Duisburg. Etwa in Mülheim oder Krefeld. Wenn niedergelassene Tierärzte allerdings im Schatten einer Tierklinik arbeiten, sieht es schon ganz anders aus.