Duisburg. Was müssen Angehörige bei einem Schlaganfall beachten? Welche Risikofaktoren gibt es? Zwei Experten der Duisburger Sana Kliniken klären auf.
Jährlich erleiden in Deutschland etwa 200.000 Menschen zum ersten Mal und etwa 70.000 Menschen zum wiederholten Mal einen Schlaganfall. Bei den Betroffenen zählt dann jede Minute. Denn: Sofern die Patienten zeitnah in einer geeigneten Klinik behandelt werden, gibt es mittlerweile mit der Stroke Unit eine gute Therapiemöglichkeit. Anlässlich des Weltschlaganfalltags am Samstag, 29. Oktober, sprechen Prof. Dr. Wilhelm Nacimiento, Chefarzt der Klinik für Neurologie/Neurologische Frührehabilitation mit überregionaler Stroke Unit und Dr. Martina Nolden-Koch, leitende Oberärztin der Stroke Unit an den Sana Kliniken Duisburg über Symptome und das Rennen gegen die Zeit.
Was ist ein Schlaganfall und warum zählt jede Minute?
Prof. Dr. Nacimiento: Bei einem Schlaganfall handelt es sich um eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung in bestimmten Abschnitten des Gehirns. Es gibt hier zwei Formen: Bei einem Hirninfarkt ist eine Arterie verschlossen, die das Hirngewebe versorgt und bei einer Hirnblutung ist eine Arterie geplatzt. Letztendlich werden die Nervenzellen im Gehirn nicht mehr oder zu wenig mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Die Folge: Die Zellen sterben ab. Diese Zellen sind irreversibel zerstört, so dass sie ihre Funktion nicht mehr ausüben können. Diese können dann zu neurologischen Ausfallserscheinungen wie beispielsweise Lähmungen oder einer Sprachstörung führen. Der Zeitfaktor ist für eine erfolgreiche Therapie entscheidend. Das bedeutet, je früher ein Schlaganfall erkannt und behandelt wird, umso größer sind die Chancen auf einen Rückgang der neurologischen Ausfallserscheinungen.
Wie erkenne ich einen Schlaganfall?
Dr. Nolden-Koch: Bei folgenden Anzeichen sollte unverzüglich der Rettungsdienst alarmiert werden. Dazu zählen: plötzliche Sehstörungen, Doppelbilder, Lähmungserscheinungen, besonders wenn sie einseitig auftreten, Sprach- und Sprachverständnisstörungen, Taubheitsgefühle einer Körperseite, plötzlich aufgetretene starke Kopfschmerzen, Schwindel mit Gangunsicherheit, Koordinationsschwierigkeiten. Welche Symptome auftreten, hängt davon ab, welcher Teil des Gehirns betroffen ist. Um die Situation besser einschätzen zu können, gibt es relativ einfache Tests. Mit deren Hilfe kann schnell beurteilt werden, ob ein Schlaganfall vorliegen könnte. Besonders bekannt ist hier der sogenannte FAST-Test.
Was bedeutet der FAST-Test?
Prof. Dr. Nacimiento: Der FAST-Test steht für face, arm, speech und time. Das bedeutet auf Deutsch: Hängt plötzlich eine Gesichtshälfte, ein Arm oder Bein oder ist die Sprache auf einmal beeinträchtigt, ist es höchste Zeit, den Rettungsdienst zu rufen. Besteht also der Verdacht auf einen Schlaganfall, sollte die betroffene Person angesprochen und beruhigt werden. Bitten Sie sie, zu lächeln, beide Arme gleichzeitig zu heben und einen einfachen Satz ruhig nachzusprechen. Bereitet eine der Aufgaben Probleme, sollte ohne zu zögern, der Rettungsdienst gerufen werden. Das gleiche gilt bei unklaren und plötzlichen Gleichgewichts- und Sehstörungen sowie Schwindelsymptomen. Grundsätzlich gilt: Nicht so viel Zeit für Selbstdiagnose verwenden, im Zweifel immer und unverzüglich den Rettungsdienst alarmieren.
Ich vermute bei mir oder einem Angehörigen einen Schlaganfall – was muss ich tun?
Dr. Nolden-Koch: Am wichtigsten ist es, ruhig zu bleiben und sofort den Rettungsdienst unter der 112 zu rufen. Weisen Sie dabei unbedingt darauf hin, dass ein Schlaganfall vorliegen könnte. Den Betroffenen beobachten, beruhigen und Symptome dem Rettungsdienst beschreiben. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes: sicherheitshalber, aufgrund der möglicherweise auftretenden Schluckbeschwerden, nichts essen oder trinken. Darüber hinaus ist es hilfreich, eine Medikamentenliste und Kontakttelefonnummern bereitzulegen.
Nach dem Notruf: Was passiert dann?
Dr. Nolden-Koch: „Liegt der Verdacht auf einen Schlaganfall vor, wird der Patient oder die Patientin in ein Krankenhaus mit einer Stroke Unit gebracht. Das sind Abteilungen in Krankenhäusern, die auf die Diagnose und Behandlung von Schlaganfallpatienten spezialisiert sind. Dort wird unverzüglich unter anderem durch Bildgebung geklärt, ob ein Schlaganfall vorliegt und ob eine Akuttherapie zur Wiedereröffnung verschlossener Hirngefäße – Thrombolyse, Thrombektomie – möglich ist.“
Was ist entscheidend für eine erfolgreiche Weiterbehandlung?
Dr. Nolden-Koch: Entscheidend für den Erfolg ist nach wie vor die schnelle und vor allen Dingen gezielte Behandlung. Die Aufgaben der Stroke Unit sind zum einen die Akuttherapien, zum anderen die rasche Klärung der Ursache, um durch eine adäquate Therapie weitere Schlaganfälle zu verhindern. Die begonnene medikamentöse Therapie (Sekundärprophylaxe) muss häufig lebenslang eingenommen werden. Zudem wird mit sofortigen Therapiemaßnahmen (Logopädie, Physiotherapie und Ergotherapie) im Rahmen einer frühzeitigen Rehabilitation begonnen.
Rehabilitation: Was sollte hier beachtet werden?
Prof. Dr. Nacimiento: Eine frühe Rehabilitation ist ein ganz entscheidender Faktor für die Genesung, je früher, desto besser. Nach einem Schlaganfall ist es für die meisten Betroffenen wichtig, ihre Bewegungsfähigkeit und Sprache sowie ihre Selbstständigkeit wiederzuerlangen oder zumindest einen Teil davon. Diese beginnt schon während der Behandlung auf der Stroke Unit und wird bei Bedarf anschließend in einer Rehaklinik stationär oder ambulant fortgesetzt.
Welche Risikofaktoren gibt es?
Prof. Dr. Nacimiento: Ein hoher Blutdruck ist – mit großem Abstand – der größte Risikofaktor. Erhöhte Blutzuckerwerte bei Diabetes mellitus, erhöhte Blutfette sowie Rauchen stellen weitere wichtige Risikofaktoren dar. Essenziell, um möglicherweise einen Schlaganfall vorzubeugen: ein optimal eingestellter Blutdruck und Blutzucker, regelmäßige Bewegung, Nichtrauchen sowie eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Das Alter ist der einzige nicht beeinflussbare Risikofaktor. Aufgrund der demografischen Entwicklung sehen wir viele Schlaganfälle bei älteren Menschen, dennoch erleiden auch jüngere Menschen aufgrund von seltenen Ursachen Schlaganfälle, so dass ein junges Alter kein Ausschlusskriterium für einen Schlaganfall ist.