Duisburg. Die Duisburger Sinti leben seit Jahrzehnten auf zwei Plätzen in Duisburg. In einem Brief erklären sie, warum sie Angst vor Vertreibung haben.

Sinti-Familien leben seit Jahrzehnten in Duisburg. Jetzt fordert der Duisburger Sinti Verein als Vertreter in einem Offenen Brief langfristige Sicherheiten gegenüber der Stadt – und ein Ende von Diskriminierung.

Die Vertreter wollen, dass „die kontinuierliche Verfolgung, die Holocaust-Überlebende zu Obdachlosen macht“, beendet wird, dass sie ein würdevolles und gewaltfreies Leben führen können und dass die Stadt Duisburg die Gewaltverbrechen des Zweiten Weltkriegs aufarbeitet, inklusive eines Denkmals.

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Sinti leben seit Jahrzehnten in Duisburg

Im Unterschied zu jenen Roma, die in den vergangenen Jahren aus Südosteuropa nach Duisburg zuwanderten, sind viele Sinti-Familien hier verwurzelt. Sie haben einen deutschen Pass, sprechen Deutsch, leben, arbeiten, studieren hier. Viele von ihnen schätzen bis heute ihr Leben auf Plätzen in einer dorfartigen Struktur, ihr Zuhause in Neuenkamp und in Meiderich sind Wohnwagen und Container.

Hier können sie ihre Kultur, ihre Sprache erhalten für die nachkommenden Generationen, erklären die Vereinsmitglieder bei einer Pressekonferenz, die sie mit Unterstützung des Vereins der Solidarischen Gesellschaft der Vielen abgehalten haben.

„Wir sind integriert, wir pflegen eine gute Nachbarschaft“

Diese Plätze wurden den Familien Anfang der 70er Jahre nach Umsiedlungen zur Verfügung gestellt, erzählt Siegfried Mettbach. Nur schriftlich bekamen sie nie etwas, und deshalb leben sie in fortwährender Angst, dass sie vertrieben werden könnten. „Das ist kein gutes Gefühl.“ „Wir sind da integriert, wir pflegen eine gute Nachbarschaft“, betont Mettbach.

Mit Elli Mettbach wohnt noch eine Überlebende des Holocaust auf dem Platz in Neuenkamp. Ihre Enkelin Jasmin möchte mit ihren drei Kindern dorthin ziehen, um die Oma zu unterstützen. Das aber untersage die Stadt Duisburg, berichtet Jasmin Mettbach. Seit Jahren kämpfe sie dafür, „ich bin da aufgewachsen, ich möchte wieder dahin zurück.“ Auch ihre Schwester Janett wartet auf eine Rückkehrchance.

Rassistische Beleidigungen im Supermarkt

Stattdessen befürchten sie, dass der Platz aufgelöst werden könnte, sobald die Oma verstorben ist. „Dabei ist der Platz unser sicheres Zuhause“, betont Jasmin Mettbach. Diskriminierung sei ihr erspart geblieben, so einen Ort fordert sie auch für ihre Kinder. An ihrem jetzigen Wohnort begegne ihr Skepsis, Ablehnung. „Ein Nachbar hat behauptet, er würde sich von meinem Sohn bedroht fühlen, dabei war er erst zwei Jahre alt“, verdeutlicht sie.

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Mit ihren dunklen Haaren, den großen Ohrringen und langen Röcken falle sie auf, werde etwa im Supermarkt auch rassistisch beleidigt. „Die staunen dann immer, wenn ich mich auf Deutsch wehre.“ Diskriminierung habe seit der Zuwanderung von Roma aus Südosteuropa wieder zugenommen. „Manche hassen uns wirklich“, sagt Jasmin Mettbach, „aber wie geht das? Wir haben doch niemandem etwas getan, niemanden vergast. Wir müssten doch die sein, die hassen.“

Traumatisiert über Generationen

Angesichts der Gräueltaten seien auch die nachfolgenden Generationen noch traumatisiert, so Reinhardt. „Wir alle haben das Erlebte mit aufgearbeitet.“ Noch Anfang der 2000er Jahre sei die „blonde“ Freundin seines Sohnes gewarnt worden, dass der Junge „kein Umgang“ für sie sei. „Uns wurden immer Steine in den Weg gelegt.“

Ihre Generation sei nun aber die, die die Kraft habe, die Kinder anzuschieben, damit aus ihnen etwas wird: Sie werden Erzieherinnen, arbeiten im Hafen, studieren“, erzählen sie stolz. Jasmin Mettbach gehört mit Ende 30 noch zu jenen, die die Traumata der Vorväter aufarbeiten, sie lebt von Hartz IV, träumt davon, einem Beruf nachzugehen.

Den Verein haben sie gegründet, um eine stärkere Stimme zu haben, erklärt Mario Reinhardt. „Wir sind Sinti und deutsche Staatsbürger“, betont er. Die tägliche Diskriminierung habe sich aber nicht gelegt. „Wir müssen uns unser ganzes Leben lang beweisen, da ist man irgendwann ausgelaugt.“

Das sagt die Stadt zu den Plätzen der Sinti

Das Grundstück in Neuenkamp gehört dem städtischen Immobilien-Management Duisburg (IMD), erklärt eine Sprecherin der Stadt. Das Amt für Soziales und Wohnen habe die Fläche für die jetzigen Bewohner von der Stadttochter angemietet. Sie seien dort regulär gemeldet.

Manche hätten eigene Wohnwagen, anderen werde für den Platz in den Wagen und Containern sieben Euro pro Quadratmeter in Rechnung gestellt. Die Stadtsprecherin sagt, dass die Situation ein bisschen kompliziert sei, weshalb es keine Mietverträge gebe. Familien, die im Leistungsbezug sind, hätten stattdessen im Rahmen einer Ordnungsverfügung ein Wohnrecht.

Es gebe keine Pläne, die Plätze freizuziehen, betont die Stadtsprecherin. Im Gegenteil gebe es regelmäßige Kontrollen, um zu vermeiden, dass Mängel dazu führen, dass die Plätze für unbewohnbar erklärt werden müssten. Sie spielt damit auf Einsätze der Task Force an, die Schrottimmobilien untersucht und Bewohner aus Sicherheitsgründen die weitere Nutzung untersagt.

In einer Ratsvorlage aus dem Jahr 2002 wird festgehalten, dass „keine weiteren zusätzlichen Mitglieder anderer Sinti-Familien hier angesiedelt werden“. Damals ging es um zwölf Familien mit 55 Personen, die an drei Standorten lebten. Ob diese Regel auch gilt, konnte die Stadt bis zum Donnerstagabend nicht sagen. Es wurde attestiert, dass „starke Bindungen unter den Bewohnern und eine damit verbundene Akzeptanz entstanden sind, die man erhalten sollte. Konflikte mit der angrenzenden Bevölkerung sind nicht bekannt.“

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Bei einer Veranstaltung zur Situation der Sinti in Duisburg im vergangenen Jahr wurden einige Statements gefilmt. Sie sind auf der Webseite des Lokals Harmonie Ruhrort zu finden.