Duisburg. Immer mehr Duisburger treten aus der Kirche aus. Die Nachfrage nach Terminen beim Amtsgericht Mitte steigt dadurch enorm. Die Behörde reagiert.
Nein, mit den vielen Austritten aus der Kirche im vergangenen Jahr hat die nun neu geschaffene Möglichkeit der Online-Terminbuchung für Kirchenaustritte nichts zu tun. Das versichert Dr. Rolf Rausch, Pressesprecher und Richter am Duisburger Amtsgericht. „Aber es ist für alle Seiten sehr praktisch“, räumt er ein.
Denn die Zahl der Menschen, die der Kirche den Rücken kehren, hat 2021 enorm zugenommen. So ist natürlich auch der Termindruck im Amtsgericht am Heinrich-König-Platz deutlich gestiegen. Es gilt: Man muss sich persönlich zu dem Amtsgericht begeben, in dessen Bezirk man seinen Wohnsitz hat. Eine Austrittserklärung in einfacher Schriftform oder online ist nicht möglich.
Man muss also zunächst einen Termin vereinbaren, um später im Gericht den Austritt persönlich zu erklären. „Die neue Dienstleistung vereinfacht natürlich die Zeitplanung von Bürgerinnen und Bürgern und öffentlicher Verwaltung und verkürzt die Bearbeitungszeiten. Das ist eine Erleichterung für alle“, sagt Rausch.
Online-Terminvereinbarung zunächst nur beim Amtsgericht Duisburg-Mitte
Einiges ist unbedingt zu beachten: Die Terminbuchung ist ausschließlich für Duisburger möglich, die ihren Erstwohnsitz im Bereich der Postleitzahlen 470xxx und 472xxx haben. Das ist der Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Duisburg Mitte. Diejenigen, die beispielsweise in Obermeiderich oder Walsum wohnen, müssen sich an das zuständige Amtsgericht dort wenden.
Im Amtsgericht Mitte muss für jeden Antragsteller ein eigener Termin gebucht werden. Dies gilt auch für Familienangehörige wie Ehepartner oder Kinder. Kinder unter 14 Jahren können nur in Gegenwart ihrer sorgeberechtigten Personen, das sind in der Regel die Eltern, aus der Kirche austreten.
Zahl der Kirchenaustritte stieg in Duisburg im Jahr 2021 stark an
Die Entwicklung der Austritte ist bemerkenswert. Denn in Duisburg war die Zahl derjenigen, die der Kirche den Rücken kehrten, im Jahr 2020 noch relativ gering. Und das, obwohl schon zu der Zeit die Missbrauchsvorwürfe hochkochten.
Während es in Köln und anderen Regionen von NRW schon lange Wartezeiten bei den Gerichten für einen Austritt gab, ging es in Duisburg noch recht verhalten zu. Dann, als im Februar 2021 die Wut über die Reaktion des Kölner Erzbischofs Woelki auf die Missbrauchsvorwürfe zunahm, traten 76 Duisburger aus der Kirche aus. Für das Amtsgericht Mitte immer noch eine Größenordnung, die gut zu bewältigen war.„Doch mittlerweile hat sich die Zahl deutlich erhöht“, betont Pressesprecher Rausch.
Nicht in jedem Monat sind die Austritte gleich hoch, aber insgesamt stieg die Zahl bei den Katholiken stark an. Im Jahr 2020 kehren 526 römisch-katholische Gläubige der Kirche den Rücken, im vergangenen Jahr waren es bereits 882, die sich abwandten.
Nur noch wenig Gottesdienstbesucher in den Kirchen
Der Trend ist allerdings auch in der evangelischen Kirche zu spüren. Zwar ist der Anstieg längst nicht so gewaltig, aber auch deren Zahlen zeigen in eine eindeutige Richtung: Die Austritte nehmen zu. Genau 416 evangelische Duisburger traten 2020 aus der Kirche aus, im vergangenen Jahr waren es 672 evangelische Christen, die mit der Kirche nichts mehr zu tun haben wollten.
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Diese Rekordzahl bringt natürlich in gesamt Nordrhein-Westfalen die Kirchen in eine Existenzkrise. Immer mehr Kirchen werden verkauft, abgerissen oder umgewidmet, weil die Kosten bei immer weniger Kirchenmitgliedern nicht mehr zu stemmen sind.
Diesen Trend kann man auch in Duisburg verfolgen. Denn auch die Gottesdienstbesuche haben deutlich abgenommen. In einigen Duisburger Gemeinden besuchen nur noch ein Prozent der Mitglieder einen Gottesdienst. Für viele spielt die Kirche im Leben schon längst keine zentrale Rolle mehr. 2008 gingen zum Beispiel in der Gemeinde St. Michael in Meiderich noch 1600 Menschen sonntags in die Messe, 2018 waren es nur noch 859. Das macht einen Rückgang um 54 Prozent aus.
Kirche sucht nach Antworten
Die Pastore suchen schon seit langem nach Ursachen und Antworten. Es habe sich herausgestellt, dass sich viele Menschen von der Kirche abwenden, nicht aber von der Religion. Da der Mensch ein religiöses Wesen sei, brauche er Religion, sagt Thorsten Hendricks, Dechant des Dekanats Duisburg West und Pfarrer der Gemeinde St. Franziskus. Eine Art „Ersatzreligion“ finden viele zurzeit in Yoga, in Meditation oder sogar im Fußball.
Hendricks nennt das Problem beim Namen: „Man zweifelt sehr an dieser Institution“, sagt er zum Thema Missbrauchsfälle. „Man hat es einfach vertuscht. Da wurden dann Menschen versetzt, aber nicht bestraft. Niemand hat auf die Opfer geguckt, die waren einfach lästig.“Vielfach wird jetzt nach neuen Wegen gesucht. Das Bistum Essen und Münster, die beide für Duisburg zuständig sind, machen zurzeit – auch anonyme – Hilfsangebote an die Betroffenen. So will die katholische Kirche Vertrauen wieder zurückgewinnen.
>>Online-Terminvergabe zum 1. März gestartet
- Die Online-Terminvergabe ist zum 1. März 2022 gestartet. Wer aus der Kirche austreten möchte, kann sich nun online auf www.ag-duisburg.nrw.de/behoerde/Terminbuchung reservieren.
- Die Kirchenaustrittsstelle ist im Hauptgebäude des Amts- und Landgerichts, König-Heinrich-Platz 1, Zimmer 77 und 79. Man muss einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mitbringen. Sollte auf dem Ausweisdokument keine aktuelle Anschrift eingetragen sein, ist die ergänzende Vorlage einer aktuellen Meldebescheinigung erforderlich.
- Bevor man die Kirchenaustrittsstelle aufsucht, muss man 30 Euro in bar in Zimmer 1 bezahlen. Die Gebühr kann auch vorab durch eine elektronische Kostenmarke entrichtet werden. Das geht online unter https://justiz.de/kostenmarke/index.php