Duisburg-Altstadt. Viele Jahre tat sich auf der Baustelle des Mercatorquartiers nichts. Nun wird gearbeitet. Darum brauchen die Experten Fingerspitzengefühl.
Auf dem Gelände des künftigen Mercatorquartiers wird endlich gearbeitet. Nach Jahren, in denen erst archäologische Funde ausgegraben wurden, anschließend Blümchen wuchsen und sogar ein Strand aufgeschüttet wurde, geht es mit dem ersten Projekt, dem Nexus-Bau, los. Die Brache gegenüber vom Rathaus ist eine der prominentesten, aber durchaus auch kompliziertesten Baustellen in Duisburg. Bei den Erdarbeiten müssen die Experten nämlich fein aufpassen, dass sie nicht aus Versehen Teile des Bodendenkmals treffen.
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Karl-Heinz Dönges und seine Leute von der Düsseldorfer Spezial-Tiefbaufirma Stump-Franki lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ach wat, das ist doch nicht kompliziert“, sagt der Polier, der immerhin 30 Jahre Erfahrung in dem Bereich hat. Da habe er schon auf ganz anderen Baustellen gearbeitet. „Bisher liegen wir gut in der Zeit“, erklärt der Herner, der seit etwa drei Wochen mit seinen Kollegen vor Ort ist.
Bauvorbereitung für Duisburger Innenstadt-Areal kostet mehr als eine Million Euro
Da entspannen sich direkt die Gesichter von Volker Flemming, Investor und Geschäftsführer der Duisburger Firma Blankbau, sowie von Dr.-Ing. Michael Stahl. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Firma ICG aus Düsseldorf, eine Ingenieurgesellschaft mit Jahrzehnte langer Erfahrung auf den Gebieten „Geotechnik, Spezialtiefbau und Baugrunddynamik“. Gemeinsam mit seinem Team hat er die Planung der Baugrube erstellt und betreut diese im Rahmen der Ausführung. Beide Unternehmen kennen sich schon von anderen Projekten, haben zum Beispiel im Quartier Wilhelmshöhe zusammen gearbeitet.
„Hier spielen viele Themen im Boden eine Rolle“, weiß Stahl, selbst Geotechniker. Man könne nicht mit einer so genannten geböschten Baugrube arbeiten, sondern muss Träger und Pfähle setzen, damit das dahinterliegende Erdreich mit dem Bodendenkmal gestützt wird. Die Kosten für diese aufwändigen Verfahren betragen mehr als eine Million Euro – auf einer normalen Baustelle wäre nur etwa ein Drittel davon fällig. Dafür war der Kaufpreis entsprechend niedriger.
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„Es ist eine spannende Lage. Wir freuen uns, wenn wir nicht mehr lange die einzigen sind, die hier arbeiten“, sagt Volker Flemming. Sicher sei, dass bald auch mit den Arbeiten für das Hotel begonnen wird.
Erst vor kurzem hat der Rat der städtischen Baugesellschaft Gebag die Verantwortung für die restlichen drei Baufelder übertragen. Die hatte betont, sowohl nach weiteren Investoren zu suchen als auch ein eigenes Engagement zu prüfen.
Zurück auf die Baustelle: Vorsichtig bohrt das 28 Meter hohe und 150 Tonnen schwere Gerät Löcher in die Erde. Etwa acht Meter tief werden für die Pfähle zunächst Körbe und anschließend der Beton gegossen. In anderen Bereichen werden Stahlpfähle in die Bohrlöcher eingesetzt, zwischen denen später Holz und Spritzbeton angebracht wird, um die Konstruktion zu stützen.
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Weitere mittelalterliche Mauer gefunden
„Das Grundwasser steht hier tief, wir haben keine Probleme“, erklärt Polier Dönges. Auf einem Plan sind die gesetzten Pfähle markiert. Gegenüberliegend, dort wo sich irgendwann das wieder aufgebaute Mercatorhaus anschließen könnte, gab’s vor ein paar Wochen allerdings Überraschungen. Ein neuer Mauerrest ist entdeckt worden. Dann stoppen die Arbeiten erst einmal. „Die Mitarbeiter des Denkmalamtes sind ohnehin regelmäßig auf der Baustelle“, weiß Flemming. „Bisher ist aber noch nichts still gelegt worden“, sagt Dönges.
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Stadtsprecher Jörn Esser bestätigt auf Nachfrage: „Der mittelalterliche Baubefund liegt außerhalb der eigentlichen Baugrube und war dementsprechend zu erhalten.“ Durch die archäologischen „Sachverhaltsermittlungen“, die in der Vergangenheit bereits während des Abbruchs der Schulgebäude durchgeführt wurden, konnte genau bestimmt werden, wo sich wahrscheinlich Funde verbergen. „Wir haben umfangreiches Kartenmaterial bekommen und die kooperative Zusammenarbeit mit der Behörde im Rahmen der Planung war vorbildlich“, bestätigt Fachmann Stahl. Etwas „krimineller“ wird es Richtung Oberstraße, denn dort befinden sich zahlreiche Überbleibsel historischer Bürgerhäuser.
Wo im Spätmittelalter einflussreiche Duisburger lebten
„Die Oberstraße bildete bis ins 20. Jahrhundert eine bedeutende Ausfallstraße aus der Altstadt Richtung Osten. An dieser Straße lassen sich im Spätmittelalter als Bewohner Patrizier, Bürgermeister und bedeutende Händler nachweisen“, heißt es von Seiten der Stadt. Die repräsentativen Steinbauten gehen teilweise auf das 12. Jahrhundert zurück. „In den folgenden Jahrhunderten wurde die Bebauung zu einer geschlossenen Straßenrandbebauung verdichtet“, berichtet Stadtsprecher Jörn Esser. Die Bebauung der Oberstraße bestand bis 1945 überwiegend auf den im Mittelalter entstandenen Gebäuden. „Dementsprechend ist die archäologische Befunddichte an der Oberstraße sehr hoch.“
Rund drei Wochen, schätzen Stahl und Flemming, werden die Vorbereitungen noch dauern – dann geht’s mit den Erdarbeiten weiter. 22 Wohnungen wird es in dem Nexus-Haus geben. Schon im Sommer 2023 sollen sie vermietet werden.
>> SO GEHT ES MIT DEM MERCATORHAUS WEITER
■ An das Nexus-Gebäude soll später das Mercatorhaus grenzen. Die Gebag soll künftig auch die Verantwortung für das Mercatorhaus tragen.
■ Vor kurzem hat die extra für den Wiederaufbau gegründete Genossenschaft beschlossen, sich aufzulösen. Stattdessen wollen die engagierten Duisburger künftig in einem Beirat mit der Gebag beraten. Gebag-Sprecherin Gerhild Gössing erklärte jüngst: „Dadurch, dass die Gebag nun die Grundstücke ins Eigenkapital eingelegt bekommen hat, werden wir die gesamte Planung noch einmal neu denken.“