Duisburg. Wegen fahrlässiger Körperverletzung stand ein Arzt aus Duisburg vor Gericht. Nach seiner Fehldiagnose verlor eine Frau (57) Finger und Füße.

Das Leben, wie sie es kannte, endete für eine damals 53-jährige berufstätige Ehefrau und mehrfache Mutter aus Wanheimerort am 16. März 2017. Sie wurde krank. Mehrere Mediziner diagnostizierten eine Norovirus-Infektion. Tatsächlich litt sie an einer lebensgefährlichen Hirnhautentzündung, hervorgerufen durch Bakterien namens Meningokokken. Im zweiten Verhandlungsanlauf stand ein 70 Jahre Arzt aus Duisburg wegen fahrlässiger Körperverletzung vor dem Amtsgericht.

Zweimal war er als Mitarbeiter des notärztlichen Bereitschaftsdienstes an zwei aufeinander folgenden Tagen bei der Frau gewesen. Dieser hatte schon zuvor die Notaufnahme eines Krankenhauses versichert, sie habe sich nur eine Magen-Darm-Infektion eingehandelt und sie wieder nach Hause geschickt. Der Notarzt, der jeweils in den frühen Morgenstunden auftauchte, habe sich zu sehr auf diese Fehldiagnose verlassen, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Duisburgerin verlor alle Finger und beide Füße

Die Folgen waren für die Wanheimerorterin dramatisch. Als sie nach der Fehldiagnose eines weiteren Bereitschaftsarztes nach vier Tagen endlich stationär in ein Krankenhaus kam, litt sie schon unter einer Blutvergiftung, die das Gewebe ihrer Extremitäten und ihre Organe angriff. Monate lang rang die Geschädigte auf der Intensivstation mit dem Tode. Der Frau mussten alle Finger und beide Vorderfüße amputiert werden. Sie bekam eine neue Leber, ist nun schwerhörig.

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Nicht, dass der Angeklagte, der eine Einweisung in ein Krankenhaus für überflüssig hielt, gar nichts getan hätte: Nach Aussagen von Familienmitgliedern maß er Fieber, untersuchte Puls und Blutdruck der Patientin, drückte ihren Bauch ab und verordnete Medikamente. Doch die halfen nicht gegen Erbrechen, Durchfall, Fieber, rasende Kopf- und Gliederschmerzen. Angesichts der Symptome habe der Angeklagte eine wesentliche Untersuchung allerdings vergessen, erklärte ein medizinischer Sachverständiger: Er hätte die Beweglichkeit der Nackenmuskulatur überprüfen müssen, die bei Meningitis in der Regel hart wie Beton wird.

Klassische Anzeichen für Meningitis fehlten bei der Duisburgerin: Freispruch

In der Regel schon. Doch bei der heute 57 Jahre alten Duisburgerin eben nicht. Als sie, viel zu spät, schließlich doch stationär im Krankenhaus aufgenommen wurde, verzeichnete der Aufnahmebericht ausdrücklich, dass keine Nackensteifheit vorlag. Für die Strafrechtler brach die Zuordnung einer Schuld damit in sich zusammen. Denn selbst wenn der Angeklagte die sich aufdrängende Untersuchung gemacht hätte, hätte er nichts Verdächtiges festgestellt und sich nicht zur sofortigen Einweisung der Patientin veranlasst gesehen.

Nach fünfstündiger Verhandlung fällte der Strafrichter das Urteil: Freispruch. Nicht, dass der Jurist den geringsten Zweifel an der Entscheidung gehabt hätte, die auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung beantragt hatten. Aber ihm lag daran, dass auch die Geschädigte und deren Familie die Gründe, die dazu geführt hatten, nachvollziehen konnten. Und so bot er der Frau und ihrer Familie an, nach dem Sitzungsende Fragen zu beantworten. Vor diesem Verständnis von Rechtsprechung muss man den Hut ziehen.