Der Bürgerfunk muss kurz vor dem 20. Jahrestag vielleicht die Segel streichen. Denn jetzt droht dem Verein das Geld auszugehen. Der Bürgerfunk ist nämlich vollständig von Spenden abhängig.

An ehrenamtlichen Aktiven mangelt es beim Sender „Rio” nicht. Jeden Montag und jeden Donnerstag um 21.04 Uhr geht der Bürgerfunk von der Koopmannstraße mit aufgezeichneten Produktionen auf Sendung. Aber jetzt droht dem Verein das Geld auszugehen. Denn der Bürgerfunk ist vollständig von Spenden abhängig. „Vom 1. Januar bis 31. März sind Produktion und Sendebetrieb vorläufig eingestellt”, teilt „Rio”-Gründer und Chef vom Dienst Walter Lippert mit.

Zwar reiche der Spenden-Etat bis zum Ende des Haushaltsjahres im März. Statt für Produktionen, so Lippert, müssten die Mittel aber für den Rückbau des Studios an der Koopmannstraße und die Renovierung des ehemaligen Ladenlokals ausgegeben werden, dessen Mietvertrag leider gekündigt werden müsste – wenn nicht doch noch finanzielle Rettung in Sicht ist.

Bis 2007 war der Sender „Rio” als anerkannte Radiowerkstatt von der Landesmedienanstalt aus GEZ-Gebühren finanziert worden. Stolze 15 000 Euro im Jahr umfasste der Etat. Seitdem jedoch werden nur noch Radio-Projekte, etwa an Schulen, in Kindertagesstätten oder Altenheimen, finanziert. Allgemeines Radio wie es die Obermeidericher seit 19 Jahren machen, musste entweder auf solche Einzelprojekte umsteigen oder auf Spendersuche gehen. Man entschied sich für Spenden. „Beim Projektradio stehen Aufwand für die Planung sowie Antragstellung und Ertrag, also Zuschuss, in keinem Verhältnis”, so Lippert.

Der Verein rief ein Patenschafts-Modell ins Leben. Ziel: 100 mal je 100 Euro Spenden im Jahr. Und das klappte auch für die Etatjahre 2008/09 und 2009/2010 (das Etatjahr läuft vom 1. April bis 31. März des folgenden Jahres), zehrte aber auch an den (ehrenamtlichen) Kräften des Vereins.

Statt, wie gewohnt, mit voller Kraft vor Ort, bei Bürgergruppen und Sportvereinen, präsent zu sein, um über Ereignisse und Probleme zu berichten, mussten die ehrenamtlichen Radioleute halt zusätzlich noch Spender aquirieren. „50 Zusagen sind nötig, um weitermachen zu können”, sagt Lippert. Genau daran fehlt es aber ab 1. April 2010. „Wir haben 2007 alle Lokalpolitiker auf unser Problem aufmerksam gemacht”, berichtet der „Rio”-Gründer. Es habe keinerlei Reaktionen gegeben. „Dabei ist Bürgerfunk doch von öffentlichem Interesse”, wundert sich Volkmar Motikat, Unternehmer aus Meiderich, einer der Paten des Vereins. Rätselhaft ist den Aktiven, dass selbst für das Kulturhauptstadtjahr bislang keine Unterstützung kam. Auch von den begünstigten Vereinen ist man beim Sender „Rio” enttäuscht. „Wie oft waren unsere Reporter bei den Kleingärtnern”, sagt Walter Lippert. „Ich verstehe das nicht.”

Bis März muss der Verein die Hälfte seines Jahres-Etats beisammen haben. Aktionen wie die Schiffstörns mit gleichzeitiger Live-Musik oder die Ruhrorter Hafenkonzerte aus dem Museum der Deutschen Binnenschifffahrt müssten schließlich geplant und organisiert werden. Vorlaufzeit sei dafür nötig.

Auf Großsponsoren, die also mehr als 100 Euro im Jahr geben, will man sich nur ungern einlassen – wegen der journalistischen Unabhängigkeit. Dann lieber auf Kleinspender, auf tausendmal je zehn Euro im Jahr. Die ständige Ungewissheit, ob die Miete noch gezahlt werden kann, drückt auf die Stimmung. „Wenn sich Anfang Januar keine Perspektive auftut, müssen wir die Arbeit einstellen”, sagt Walter Lippert. Am Samstag, 2. Januar, 16 Uhr, findet ein „Tag der offenen Tür” statt.

14 Redaktionsteams

Zum harten Kern des Senders „Rio” gehören bis heute zehn Aktive. Viele weitere Ehrenamtliche bilden mit ihnen insgesamt 14 verschiedene Redaktionen.

Sie nennen sich zum Beispiel „Ätherschoppen”. Das ist das Bürgerfunkmagazin, das es vom ersten Sendetag an gibt. Oder sie heißen „BaB” für „Bürgerfunk aus den Bezirken” und „MuKuFunk” für Musik und Kunst.

Es gibt Redaktionen für Themen aus Obermeiderich, für Historisches und für Sport. Allerdings schwärmen die Reporter von der Koopmannstraße nicht aus, um über professionelle Sportereignisse zu berichten. Ihre Themen sind der Breitensport, sind Kanu-Polo, Flossenschwimmen, Billard, Schach und Dart. „Cafe Rio” wiederum ist eine Plattform für Nachwuchskünstler. Und das Team von „Hahn im Korb” bringt einmal im Monat eine Mundart-Sendung für die Freunde der niederrheinischen Dialekte.

Bürgerinitiative Obermeiderich

Im Kern geht der „Sender Rio” auf die 1974 gegründete „Bürgerinitiative Obermeiderich” („Bio”) zurück. Sie verstand sich als überparteilich und griff die verschiedensten Belange im Ortsteil auf: Missstände etwa oder Sicherheitsgefahren oder soziale Ungerechtigkeiten. Bis 1987, berichtet Walter Lippert (62), einer der Mitstreiter von damals, gab sie eine eigene Stadtteilzeitschrift heraus. Ende der 80er Jahre beteiligte sich „Bio” am Radioprojekt „Bürger machen Programm” des Westdeutschen Rundfunks. „Eine tolle Erfahrung”, erinnert sich Lippert. Als wenig später die Bürgerfunk-Welle anrollte, sprang man als „Radioinitiative Obermeiderich” („Rio”) auf den Zug auf.

Am 1. April 1990 ging nicht nur „Radio Duisburg” als landesweit erster Lokalfunk auf Sendung. Laut Landesmediengesetz waren 15 % der Sendezeit dem Bürgerfunk, also freien Radio-Initiativen, vorbehalten. Von Anfang an war „Rio” mit von der Partie, richtete sich das Studio an der Koopmannstraße ein. MSV-Fanclubs und Triker gehörten bald zur festen „Rio”-Fangemeinde auf Kanal 92,2 (101,75 bei Kabelanschluss).

Wurden in den ersten Jahren sechs bis acht Stunden pro Woche gesendet, so sind es seit dem Fortfall der GEZ-Gebühren noch zwei Stunden pro Woche. Sie werden allerdings als Aufzeichnungen gesendet und vorher produziert.

Um Spendenbescheinigungen ausstellen zu können, firmiert der Sender seitdem als eingetragener Verein. „Wir haben ein knappes Dutzend Mitglieder”, sagt Walter Lippert. Zu den jüngsten Aktionen zählen das Ruhrorter Hafenkonzert vom Oktober aus dem Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Ruhrort. Und im November fanden zwei Schiffstouren mit Live-Musik statt, die „Rio” nicht nur aufnahm, sondern auch selbst veranstaltet hat. mkw