Duisburg. Mülheims OB Marc Buchholz lebt seit der Kindheit in Neumühl. Warum er nicht in Duisburg arbeitet und wie er die Entwicklung seiner Heimat sieht.
Wenn in Mülheim der Oberbürgermeister Feierabend hat, fährt er nach Duisburg. In Neumühl, im Norden der Stadt, ist Marc Buchholz aufgewachsen, dort fand er den Weg in die Politik und lebt er im Mehrgenerationenhaus mit Frau, Kindern und den eigenen Eltern. Im heimischen Stadtteil ist Buchholz verwurzelt, pflegt Kontakt zu Menschen und Vereinen. Von sich selbst spricht er dennoch recht pragmatisch als „ein Kind des Ruhrgebiets“.
Die Großeltern lebten in Oberhausen-Osterfeld, die Großmutter fuhr gerne nach Mülheim in die Innenstadt: „Ich habe dadurch die Region schon in der Kindheit als großes Ganzes gesehen“, sagt der CDU-Mann, der im vergangenen September an die Spitze von Duisburgs Nachbarstadt gewählt wurde. Es ist der Höhepunkt in Buchholz’ Karriere; zuvor war er in Mülheim als Sozialdezernent, davor im niederrheinischen Kevelaer als Beigeordneter tätig.
Marc Buchholz wollte Elektroautohersteller nach Duisburg holen
Beruflich und politisch hat Buchholz seiner Heimatstadt schon um die Jahrtausendwende den Rücken gekehrt. „Der Prophet ist nichts im eigenen Land“, bedient er sich zur Erklärung eines gängigen Sprichworts. Und doch war der Abschied nicht zwingend vorherbestimmt. Denn ein Mandat hatte Buchholz auch in Duisburg schon einmal inne, kandidierte sogar für den Landtag – unterlag aber dem späteren SPD-Innenminister Ralf Jäger.
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In Duisburg begann auch der Aufbau seines politischen Netzwerks. „Als ich 1999 in die Hamborner Bezirksvertretung gewählt wurde, war Sabine Weiss unsere Fraktionsvorsitzende. Inzwischen ist sie Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. Solche Kontakte sind hilfreich“, sagt Buchholz, der nicht nur mit Sabine Weiss die ehemalige Bürgermeisterin von Dinslaken zu seinen Freunden zählt, sondern auch zu seinem Duisburger Amtskollegen Sören Link (SPD) ein gutes Verhältnis pflegt – „Sören und ich kennen und schätzen uns.“
Parteigrenzen seien für ihn schon zu Duisburger Zeiten kein Hindernis gewesen. Buchholz erzählt, wie er Ende der Neunziger mit der damaligen SPD-Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling dafür gekämpft habe, den thüringischen Elektroautohersteller Hotzenblitz in die Stadt zu holen. Der hatte bereits 150 Autos in Serie produziert und 1000 Vorbestellungen, „ein ernstzunehmender Konstrukteur, nicht bloß ein Tüftler“, so Buchholz.
Marxloh bekam schon vor 20 Jahren viele Fördergelder
Fünf Millionen Mark seien nötig gewesen, um einen Duisburger Produktionsstandort zu ermöglichen – Geld, das zu diesem Zeitpunkt niemand in E-Mobilität habe investieren wollen. „Ich behaupte einfach mal, dass wir der Zeit damit voraus waren. Wären wir damals diesen Schritt gegangen, würde es einen Elon Musk (Chef des Elektroautoriesen Tesla, d. Red.) in dieser Form vielleicht heute gar nicht geben.“
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Wenn Buchholz heute auf Duisburg blickt, „dann beobachte ich einen positiven Transformationsprozess, der auch für Nachbarkommunen interessant sein kann.“ Gerade mit den Wohnprojekten im Süden würden die Themen Arbeiten und Leben gut miteinander verknüpft. „Da steckt mehr hinter als nur die Idee, Einwohner aus Düsseldorf zu gewinnen.“
Schwieriger sei die Situation, gerade beim Wohnraum, im Norden der Stadt. „Schon als ich Arbeitsvermittler und Bezirksvertreter war, wurden über europäische Projekte 100 Millionen Mark für Marxloh bereitgestellt. Entlang der B8 kann man seitdem vielleicht einige positive Entwicklungen erkennen. Aber dahinter liegt die Wohnbebauung. Da hat sich wenig getan, und das ist das große Problem im Duisburger Norden.“ So hätte auch die damalige Förderung nicht den gewünschten Effekt gehabt. „Ohne Schuldzuweisung kann man feststellen, dass man mit dem Geld anders hätte umgehen können, um einen deutlicheren Mehrwert für die Stadtgesellschaft zu erreichen.“
Duisburg hat einen Hafen, Mülheim einen Flughafen
Dass Duisburg jetzt wieder mit mehreren Millionen Euro unterstützt wird, sei eine neue Chance. Als Mülheimer Oberbürgermeister sagt Buchholz aber auch: „Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wenn die Nachbarkommune so viel Geld für Stadtteilprojekte bekommt. In Mülheim gibt es durchaus vergleichbare Sozialstrukturen.“
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Abseits davon sieht er viele Unterschiede zwischen seinem Wohn- und seinem Schaffensort. Da nennt Buchholz natürlich die Einwohnerzahl, aber auch die geografische Lage beider Städte: „Wie Duisburg damit wirbt, Tor zum Niederrhein zu sein, ist Mülheim der zentrale Punkt der Kerngroßstädte im Ruhrgebiet. Und diese Lage möchte ich für Mülheim nutzen.“
In Duisburg seien der Hafen und die vielen Industrieflächen ganz bedeutende Ressourcen. „In Mülheim ist mir aber der Freiflächenschutz sehr wichtig. Ich sehe die Stadt nicht als Logistikort, sondern eher als Stadt im Grünen, in der Menschen aus der ganzen Region neben Arbeit auch ihre Freizeit verbringen können.“ Zudem habe Mülheim mit dem Flughafen ein Pfund, um künftig Mobilitätsentwicklung voranzutreiben. „Wenn wir uns E-Mobilität auch in der Luft vorstellen, dann ist das sicher ein Faktor, der an Bedeutung gewinnen wird.“
Neumühler Stadtteilfest geht auf Marc Buchholz’ Initiative zurück
Die Möglichkeit zum Vergleich wird Marc Buchholz jedenfalls erhalten bleiben: Aus Duisburg wegzuziehen, kommt zurzeit nicht infrage. „Ein Versprechen an meine Eltern.“ Gerade in Zeiten wie der Corona-Pandemie sei es ihm wichtig, in der Familie zusammenzuhalten.
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Spricht man Buchholz auf Neumühl an, fällt ebenfalls das Wort Zusammenhalt. „Wie in vielen Quartieren im Ruhrgebiet kennt und versteht man sich, sagt auch deutlich, was einem nicht gefällt. Das Revierfest als Stadtteilfest ist gelebter Zusammenhalt im Quartier. Ich hoffe sehr, dass uns das auch über die Pandemie hinaus erhalten bleibt.“ Ein ähnliches Fest geht tatsächlich auf Buchholz zurück: Seiner Initiative entsprang das erste Neumühler Osterfeuer, das seit gut 20 Jahren die Vereine im Stadtteil organisieren.