Duisburg. Vor 75 Jahren konnte wieder Weihnachten ohne Fliegerlärm und Angst vor Bombenhagel gefeiert werden. “Wir hatten überlebt“, sagen zwei Duisburger.
Der Zweite Weltkrieg fand im Mai 1945 sein Ende. Einige Monate später, im Dezember 1945, feierten die heute 86 Jahre alte Gisela Döntgen und der 81-jährige Hubert Honnef das Weihnachtsfest mit ihren Familien - in Frieden. Die AWO-Vorsitzenden aus Duisburg waren noch Kinder, als die Kirchenglocken im Jahr 1945 das erste Mal zum Kriegsende und dann nochmal zur Weihnachtsmesse läuteten.
Schrecken über das Geschehene und Erleichterung, dass er nun vorbei war trafen unter dem Weihnachtsbaum aufeinander. Der Krieg hatte alle arm gemacht. „Selbst die Fabrikbesitzer“, sagt Gisela Döntgen. Aber es wurde gesungen, Geschichten wurden erzählt und im Land und in den Herzen war Ruhe eingekehrt. Die erste Nachkriegsweihnacht sollte etwas Besonderes werden.
Erste Nachkriegsweihnacht in Duisburg: "Wir hatten keine Angst mehr, dass Bomben fallen"
„Wir hatten keine Angst mehr, dass Bomben fallen“, erinnert sich Hubert Honnef. Der ehemalige Elektriker und Schulhausmeister war zu dem Zeitpunkt sechs Jahre alt. Damals trugen die Kinder im Winter kurze Hosen und Röcke, dazu selbst gestrickte lange Strümpfe. Das Wetter im Winter 1945 war mild, der Fliegeralarm ein für alle Mal verstummt. In diesem Jahr bekam Hubert Honnef zu Weihnachten seine erste lange Hose geschenkt.
Erinnerungen an die selbst gestrickten langen Strümpfe hat auch Gisela Döntgen noch: „Die kratzten so furchtbar“, sagt sie, lacht und schüttelt sich bei dieser Erinnerung. Die gebürtige Wuppertalerin war bei Kriegsende elf Jahre alt. An Heiligabend war ihre kleine Schwester gerade ein Jahr alt, der Vater noch in englischer Kriegsgefangenschaft. Nach ihrem Studium kam Döntgen als junge Lehrerin nach Rheinhausen. Später wurde sie Rektorin.
Vater kam erst ein Jahr später aus Kriegsgefangenschaft
Damals an Heiligabend saß sie mit ihrer Mutter, den Großeltern und den Schwestern um einen Kanonenofen in der Küche. „Wir gingen in die Trümmer und suchten nach Holz“, erinnert sie sich. Das brauchten sie, um den kleinen Ofen zu befeuern. „Meine Mutter hatte beim Schäfer Schafswolle erstanden“, erzählt die Vorsitzende der AWO Rheinhausen. „Die Wolle wurde von den Großeltern gekämmt und von meiner Mutter gesponnen. Dann strickte sie mir einen Pullover mit Norwegermuster.“
Im nächsten Jahr, als Gisela Döntgens Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, las er seiner Familie an Weihnachten vor. „Viel von Theodor Storm und Adalbert Stiften“, erinnert sie sich und lacht dabei. „Aber das fanden wir immer langweilig.“
Amerikanische Panzer standen noch auf dem Hochheider Mark
Viel spannender war für die Kinder die Bescherung. "Die haben alle so geheimnisvoll getan", berichtet der gebürtige Homberger Hubert Honnef. "Wir Kinder mussten draußen warten.“ Unter dem Baum lagen von der Mutter selbst gebackene Plätzchen und Äpfel. Spielzeug und Süßigkeiten waren selten. „Am Hocheider Markt standen damals noch amerikanische Panzer, mit Netzen abgedeckt“, erinnert sich der Vorsitzende der AWO Homberg. „Die amerikanischen Soldaten haben den Kindern Schokolade geschenkt. Das war etwas Besonderes.“
Aus Amerika stammte auch der Weihnachtsbaum bei Familie Döntgen. Die Kunsttanne thronte dort auf einem Leierkasten und drehte sich langsam zur Musik. Familie Honnef hingegen buddelte zu Weihnachten die Tanne im eigenen Garten aus. „Nach der Bescherung wurde sie wieder eingepflanzt. Für das nächste Jahr“, berichtet Hubert Honnef. Der ökologisch einwandfreie Weihnachtsbaum wurde reich verziert und mit Kerzen aus echtem Wachs beleuchtet. Früher gab es aber nicht nur mehr Lametta, es wurde auch fleißig musiziert. „Wir haben viel mehr gesungen als heute“, erzählt der Vorsitzende der AWO Homberg. „Und jedes Kind musste ein Gedicht aufsagen.“
Weihnachten: Was war vor 75 Jahren anders?
Die Tafel wurde nicht so üppig gedeckt, wie wir es heute gewohnt sind. „Zum Fest gab es Kartoffelsalat ohne Würstchen“, sagt der ehemalige Hausmeister der Erich-Kästner-Gesamtschule. „Am ersten Weihnachtstag pflückte meine Mutter hier und da was aus dem Gemüsebeet. Dann gab es einen Quer-durch-den-Garten-Eintopf.“
„Früher war es ruhig, nicht so hektisch wie heute“, findet Hubert Honnef. „Aber 1945 war das ruhigste Weihnachten von allen“. Die Ruhe war lange herbeigesehnt. Die Erleichterung über das Ende dieses verheerenden Krieges schwebte ebenso über der ersten Nachkriegsweihnacht wie der Verlust und die Armut, die unweigerlich mit ihm einhergegangen waren. Es mag nach einem kargen Fest klingen. Aber das war es nicht. Nur der Grund zur Freude war ein anderer. Ein bescheidener. „Wir hatten überlebt“, erklärt Gisela Döntgen. „Der Krieg war vorbei.“
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