Duisburg. Fast 46 Jahre lebte der Flussdelfin „Baby“ im Zoo Duisburg. Jetzt musste der Tierpark ihn einschläfern lassen. Die Trauer am Kaiserberg ist groß.
Vielleicht war es das etwas spitzbübisch wirkende Lächeln, das stets sein schnabelartiges Maul zu umspielen schien. Vielleicht war es aber auch die große Sanftheit, die er ausstrahlte, wenn er elegant durch das Wasser glitt. Auf jeden Fall aber war es auch seine Neugierde, mit der immer an der großen Scheibe seines Beckens in der Tropenhalle Rio Negro vorbeischwamm und in eine Art lautloses Gespräch mit Besuchern eintrat. „Baby“, der Amazonas-Flussdelfin, gehörte zu den beliebtesten Bewohnern der Kaiserberg-Arche und zu den ältesten. 46 Jahre lang war im Zoo Duisburg zu Hause. Jetzt musste er nach einer Krankheit eingeschläfert werden. Ein schmerzhafter Schritt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zoos. Aber auch zahlreiche Besucher des Tierparks wird diese Nachricht traurig stimmen.
Zahlreiche Pfleger verabschiedeten sich noch von „Baby“
„Die Bestürzung ist sehr groß, nicht nur bei den Kollegen und Kolleginnen, die täglich mit ihm gearbeitet haben“, sagt Zoo-Sprecher Christian Schreiner. „Viele sind noch vorbeigekommen, um sich von ihm zu verabschieden, bevor wir ihn gehen ließen.“ Doch diese Entscheidung war wohl unumgänglich. In den vergangenen Tagen hatte sich der Gesundheitszustand von Flussdelfin „Orinoko“, der im Zoo nur liebevoll „Baby“ genannt wurde, verändert. Er habe zunehmend verhalten reagiert und sein Futter teilweise nicht mehr angenommen, berichtet Schreiner.
Im hinteren Bereich der Anlage Rio Negro konnte „Baby“ zeitnah abgetrennt und von den anwesenden Tierärztinnen und Tierpflegern untersucht werden. Aufgrund seines hohen Alters und einer diagnostizierten Wundinfektion wurde der Delfin mit einem Antibiotikum versorgt. Um ein Dehydrieren zu verhindern entschied sich das Zoo-Team zusätzlich zur Eingabe von Wasser. Aber die engmaschige Betreuung zeigte, dass sich „Babys“ Zustand zunehmende verschlechterte. Nach gründlicher Abwägung aller Umstände und Rücksprache mit zahlreichen Experten habe sich das Zoo-Team, ihn gehen zu lassen, sagt Schreiner.
Der letzte seiner Art
„Baby“ war der letzte seiner Art im Zoo Duisburg, aber auch in allen anderen Tierparks außerhalb Südamerikas. 1975 war er von einem Team des Zoo Duisburg unter Leitungs des damaligen Direktors Wolfgang Gewalt mit zwei weiteren Tieren im Freiland gefangen worden. Heute ein undenkbares Vorgehen. Umso mehr als die Toninas auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten als „stark gefährdet“ geführt werden. Die Artenschutzorganisation Yaqu Pacha e.V. schätzt, dass es in den weit verzweigten Fluss-Systemen des Amazonas und des Orinokos noch etwa 35.000 Tiere dieser Art gibt.
Der Bau von Staudämmen, die Verschmutzung des Wassers und die Jagd setzen dem Bestand dieser Tiere weiter zu. Ihr Fleisch wird als Angelköder genutzt, ihre Zähne im Schamanismus eingesetzt. Zahnenden Kindern wird traditionell eine Kette mit einem Flussdelfinzahn um den Hals gehängt, um die Schmerzen der Kleinen zu lindern. Auch Quecksilber, das beim Abbau von Gold eingesetzt und in die Flüsse geleitet wird, vergiftet die Tiere allmählich. Über ihre Nahrung nehmen die das Quecksilber auf, das sich im Fettgewebe anlagert und zu einem schleichenden Tod führt.
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Viele Forscher besuchten „Baby“
Um das Leben von Flussdelfinen besser verstehen zu können, bekam „Baby“ im Zoo Duisburg mehrfach Besuch von Forschern aus aller Welt. In 2019 untersuchte beispielsweise die Professorin Marie Trone von der University of Florida die Lautäußerungen des Flussdelfins. Die bei in Duisburg gesammelten Daten werden im ursprünglichen Lebensraum von Forscherteams zur Ortung von Flussdelfinen eingesetzt, denn im trüben Wasser sind die Tiere nicht zu sehen und auch über Wasser nur schwer zu lokalisieren.
Mit „Baby“ hat der Zoo Duisburg ein liebenswürdiges Charakter-Tier verloren, mit dem Generationen von Zoo-Besuchern aufgewachsen sind. Es wird nicht nur dem Zoo-Team fehlen.