Duisburg. Die WfbM hat einen neuen Namen. Alter Schriftzug „Duisburger Werkstatt für behinderte Menschen“ ist im Zuge der Inklusion nicht mehr zeitgemäßig.

Saadet Baskaya geht gerne zur Arbeit. Sie ist in der Kleinteilmontage der WfbM Duisburg in Neumühl beschäftigt. Täglich fährt sie mit dem Bus in die Betriebsstätte der „Werkstatt für behinderte Menschen“ und oft muss sie sich blöde Sprüche anhören: „Wenn wir nach Feierabend in den Bus steigen, dann wird oft gesagt: da sind ja die Menschen mit Behinderung. Jetzt wird es voll. Das ist sehr verletzend“, sagt die erste Vorsitzende des Werkstattrates. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Denn ab sofort gehen Saadet Baskaya und ihre Kollegen in die „Duisburger Werkstatt“. Ganz einfach.

Die WfbM, die Werkstatt für behinderte Menschen, wird es weiter als eingetragenen Verein und GmbH geben, nach außen aber hat sich die Werkstatt einen neuen Namen und ein Logo verpasst. „Hoffentlich hören die Sprüche mit dem neuen Logo und den neuen Firmenschildern auf“, sagt Saadet Baskaya, die als erste Vorsitzende des Werkstattrates der Duisburger Werkstatt die Belange ihrer Kolleginnen und Kollegen vertritt.

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„Menschen werden viel zu oft mit ihren Defiziten wahrgenommen“, weiß auch Alexander Schmanke, Geschäftsführer der Duisburger Werkstatt. Er hat in seiner 25-jährigen Berufserfahrung schon einiges miterlebt. Der Sozialsektor sei weiterhin stark im Umbruch und das sei gut so. „Werkstätten für Menschen mit Behinderung wurden früher oft einfach Behindertenwerkstätten genannt, aber diese Begrifflichkeit wird den dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern absolut nicht gerecht und wirkt plakativ und stigmatisierend. Auch wir hatten in unserem Logo noch eine veraltete Variante“, so Schmanke.

Inklusion – ein stetiger Prozess

Doch ab jetzt präsentiert sich die Duisburger Werkstatt mit einem neuen Logo. Ab sofort stehe die Arbeit im Fokus und „wir wollen erreichen, dass Menschen nicht länger über ihre Defizite definiert werden“, so Schmanke. Darüber freut sich auch Saadet Baskaya sehr. Beim neuen Logo durfte der Werkstattrat mitreden. „Das ist toll, dass wir da mitentscheiden durften und die Veränderung ist uns wichtig“, sagt die Werkstatträtin.

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Das Logo ist rechtzeitig zum internationalen Tag der Menschen mit Behinderung fertig geworden. Dabei steht Alexander Schmanke Tagen wie diesen eher reserviert gegenüber. „Ich bin nicht so ein Fan von solchen Aktionstagen. Wenn wir diese noch haben müssen, dann sind wir noch weit weg von der Inklusion.“ Der Weg dorthin sei ein „stetiger Prozess, aber auch eine Entwicklung mit vielen positiven Beispielen“, so Schmanke.

 Das Modelabel esthetique ist eines der Vorzeigeprojekte der Duisburger Werkstatt.
 Das Modelabel esthetique ist eines der Vorzeigeprojekte der Duisburger Werkstatt. © Foto: Heike Kaldenhoff fotografiert

Eines ist eine deutschlandweite Aktion aller Intimissimi-Shops, die in Kooperation mit der Duisburger Werkstatt entstanden ist. Bei bestimmten Einkäufen erhalten Kunden zu Ihrem Einkauf eine schöne und nachhaltige Tasche dazu, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Duisburger Werkstatt designt und bedruckt wurde. Ein starkes Zeichen für Inklusion und Nachhaltigkeit. „Wir sind sehr stolz darauf, dass eine so große und bekannte Marke wie Intimissimi uns angefragt hat und die Stärken unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen durch ihre Aktion im Shop deutlich macht. Von solchen Aufträgen und Kooperationen brauchen wir noch viel mehr, aber ich blicke positiv in die Zukunft“, sagt Alexander Schmanke.

Auch für die Duisburger Werkstatt war es kein leichtes Jahr. Der Lockdown im Frühjahr traf auch die Produktion, als auch alle Werkstätten für Menschen mit Behinderung schließen mussten. Wirtschaftlich ist es auch für die WfbM ein Verlustjahr. Schmanke rechnet mit einem sechsstelligen Betrag, auch wenn die Produktion trotz Corona weitestgehend aufrecht gehalten werden konnte und nur ein Kunde abgesprungen sei. Aber mit dem Ziegenpeter und dem Concept Store in der Innenstadt musste auch die Duisburger Werkstatt zwei Gastronomiebetriebe schließen. Das Essen to, was angeboten wird, „ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, so Schmanke.

Dabei hatte die WfbM mit dem erst im Dezember 2018 eröffnenten AV Concept Store am Kuhlenwall in diesem Jahr viel vor. Neben einem Frühstück- und Mittagstisch sollte ein Eventbereich für Firmenjubiläen, Familienfeiern und Hochzeiten aufgebaut werden. Der neue Namenszug „Food-Fashion-Event“ ist schon zu lesen. „Auf die Umsetzung müssen wir bis nächstes Jahr wohl warten“, so Schmanke.

Im AV Concept Store in der Duisburger Innenstadt geht imm Teil-Lockdown der Außer-Haus-Verkauf weiter.
Im AV Concept Store in der Duisburger Innenstadt geht imm Teil-Lockdown der Außer-Haus-Verkauf weiter. © FUNKE Foto Services | Foto: Tanja Pickartz

Doch bei aller Wirtschaftlichkeit, die auch in der Duisburger Werkstatt am Ende stimmen muss, „hat bei uns der Schutz der Mitarbeiter vor Corona einen ganz hohen Wert.“ Mittlerweile sind bis auf ganz wenige Beschäftigte alle wieder an ihre Arbeitsplätze zurück gekehrt. „Insgesamt hatten wir bislang 20 Beschäftigte mit Behinderung, die sich mit Corona infiziert hatten und vier Mitarbeiter “, bilanziert Schmanke. Alle hätten einen milden Verlauf gehabt.

Darüber ist auch Saadet Baskaya sehr froh. Es sei für viele nicht einfach unter den neuen Hygienebedingungen in der Produktion zu arbeiten. „Die Schutzwände stören und viele Kollegen haben Angst“, weiß die Werkstatträtin. Sie achtet sehr auf die Einhaltung der Abstandsregel und trägt die Maske selbstverständlich. Und dennoch sagt sie: „Ich möchte wieder normal arbeiten ohne Maske und Schutzwände.“ Und, fügt hinzu: „Ich will wieder mit meinen Kollegen frühstücken gehen und mal wieder meine Freunde treffen.“