Duisburg. Mit viel Power inszeniert das Komma-Theater in Duisburg eine Hommage an Rio Reiser. Erinnerungen an den Arbeitskampf in den 80ern werden wach.
Rio Reiser in Rheinhausen – das gab es wirklich, während des Rheinhauser Arbeitskampfes Ende der 80er-Jahre, als der selbst ernannte „König von Deutschland“ ein unvergessenes Solidaritätskonzert in der Aula des Krupp-Gymnasiums vor begeisterten Stahlarbeitern und Musikfans spielte. Nur mit dem Flügel sich selbst begleitend – und mit keiner geringeren als Nina Hagen auf Solidaritätstour, brachte er damals die Aula zum Kochen. Nun gab es eine Revue zu Reisers 70. Geburtsjahr mit dem Titel „Rio70 – für immer und dich“ im Rheinhauser Komma-Theater zu sehen, inszeniert von René Linke.
Schon die von den vier Musikern gesprochenen Eingangworte geben die Richtung des Konzerts vor: „Es ist Zeit mit der bestehenden Ordnung abzurechnen, und aus dem tristen Leben eine einzigartige Beatoper zu machen!“ So fabulierte Rio Reiser noch in seiner Anarcho-Phase, als er in den 70er-Jahren Frontmann der Kommunarden-Band „Ton Steine Scherben“ war, die sich fast basisdemokratisch als VEB bezeichnet hätten. Als „Jukebox der Linken“ wurde die Band vom ‚Establishment‘ bezeichnet, hatten sie ihre Anhängerschaft doch hauptsächlich in der „Hausbesetzerszene“.
Rio-Reiser-Revue mit viel Power im Komma-Theater
Im Komma-Theater bringen die Musiker um Sängerin Stephanie Lehmann gewaltige Power auf die Bühne bei den Songs „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“ oder „Keine Macht für Niemand“, die aus dieser Zeit stammen. Sie sind passend punkig arrangiert vom Gitarristen Jan Krause, der dabei fast Grunge-Akkorde aus seiner Stratocaster durch den Raum surren lässt, während sich Drummer Jonathan Schierhorn in unzählige Trommelwirbel steigert, ja mit Rhythmusverschiebungen schon am Jazz arbeitet. Und Bassist Felix Hecker hält das Gerüst rhythmisch zusammen.
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Doch Rio Reiser war nicht nur Polit-Aktivist. Aus Tagebuchschnipseln wird deutlich, wie er als sechsjähriger Junge das Klavier seines Vaters entdeckte – und zum ersten Mal in eine „Traumwelt“ eintaucht – in die Welt der Musik, die Reiser von da ab nicht mehr loslassen wird. Seine melancholische Seite bringen die Musiker gerade in den bekannten Love-Songs „Für immer und dich“ und natürlich „Junimond“ zum Ausdruck, Jan Krause zerlegt die Akkorde in ein spielerisches Fingerpicking, macht aus den Liedern eine einzigartige Version.
Etwa 50 Zuschauer würden im Refrain gerne mitsingen – hätten sie nicht die Masken vor dem Mund. 1985 lösten sich die „Scherben“ auf, weil Rio Reiser nicht nur das Kommunardenleben satt hatte, sondern sich nicht mehr politisch einspannen lassen wollte, und seine „in der Musik verortete Freiheit“ anstrebte, wie aus weiteren Tagebuchsequenzen klar wird. Als Abrechnung mit dieser Zeit spielt die Reiser-Band „Der Turm stürzt ein – halleluja“ schon fast als punkige Polka, und ein sehr melancholisches „Mein Name ist Mensch“ folgt, in dem die tiefen Lagen von Stephanie Lehmanns Altstimme gefordert sind.
Publikum fiebert dem Mega-Hit „König von Deutschland“ entgegen
Das Publikum fiebert natürlich dem Mega-Hit „König von Deutschland“ entgegen, den spielen die vier Musiker als Zugabe. „Das alles und noch viel mehr“, kann man durch die Masken dabei leise tönen hören. „Ich wusste gar nicht, welche schöne Balladen Rio Reiser komponiert hatte“, sagte eine Zuschauerin später, „und welche Zeitlosigkeit in seinen Texten steckt“. Und manch einer der Zeitzeugen erinnerte sich noch einmal an Rio Reisers Auftritt im Krupp-Gymnasium während des Rheinhauser Arbeitskampfs...
>>Weitere Aufführungen im Komma-Theater
- Der in Berlin geborene Rio Reiser wäre am 9. Januar 2020 70 Jahre alt geworden, er starb 1996 in Fresenhagen im Alter von 46 Jahren.
- Die Macher vom Komma-Theater wollten trotz Corona unbedingt diese Geburtsjahrs-Revue noch in 2020 stattfinden lassen. Weitere Aufführungen sind für den 7. November und 12. Dezember geplant. Karten müssen reserviert werden unter www.kommatheater.de.