Duisburg. In Dortmund und Fulda sorgte die Polizei dafür, dass Corona-Verstöße zum Ende der Kundgebungen von Bodo Schiffmann führten. In Duisburg nicht.
In einer am Dienstag veröffentlichten Videobotschaft zur angespannten Corona-Lage in
Duisburg
sagt Oberbürgermeister Sören Link, das Ordnungsamt habe von ihm den klaren Auftrag erhalten, die Corona-Schutzmaßnahmen energisch und konsequent umzusetzen: „Sehr deutlich möchte ich außerdem sagen: Ignoranz gegenüber gesetzlichen Vorgaben, die darf es nicht mehr geben.“ Allerdings: Etwas mehr als zwölf Stunden vor der Veröffentlichung der
Facebook-Ansprache
sah die Realität im Risikogebiet mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 93,8 ganz anders aus. Ausgerechnet direkt vor dem Rathaus demonstrierten
über 200 Menschen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen
– ohne Mund-Nasen-Schutz und ohne Abstand zueinander, vor den Augen von Polizisten und Mitarbeitern des Ordnungsamtes. Wie konnte das passieren?
Als um kurz vor 18 Uhr mit Bodo Schiffmann einer der umtriebigsten Gegner der staatlichen Schutzmaßnahmen mit einem schwarzen Tourbus vorfuhr und diesen genau vor der Rathaustür parkte, empfingen Corona-Skeptiker, „Querdenker“ und Masken-Gegner den Arzt wie ihren Messias. Viele jubelten laut, Eltern hievten Kinder auf ihre Schultern, damit die Kleinen Schiffmann und dessen Mitstreiter Samuel Eckert und Ralf Ludwig sehen und mit dem Handy filmen konnten.
In Duisburg weist Bodo Schiffmann halbherzig auf Abstandsgebot und Maskenpflicht hin
Wenig später lauschte die Fanschar dicht gedrängt dem politisch aktiven Youtuber auf „Corona-Infotour“ durch Deutschland. Mit einem Mikrofon in der Hand erklärte „der Arzt, dem die Corona-Rebellen vertrauen“ (
Correctiv
) unter anderem, dass Masken im Schulunterricht zu gesundheitlichen Schäden bei Kindern führen, gar tödliche Folgen haben könnten.
Noch bevor Schiffmann seine umstrittenen Botschaften verbreitete, kam er seiner Pflicht als Versammlungsleiter nach und wies die Teilnehmer der Kundgebung halbherzig darauf hin, dass sie eigentlich Abstand zueinander halten und Masken tragen müssten.
Kundgebungen in Dortmund und Fulda wurden abgebrochen
Er hatte offenbar Lehren aus seinem Auftritt in
Dortmund
wenige Stunden zuvor gezogen. Dort drohte die Polizei dem 52 Jahre alten Sinsheimer, seine Versammlung aufzulösen, wenn er nicht wie vereinbart auf die Maskenpflicht hinweise. Schließlich beendete Schiffmann die Kundgebung selber. Die Polizei Dortmund leitete wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz ein Strafverfahren gegen ihn ein.
Das Verhalten der Demonstranten bezeichnete Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange als unverantwortlich: „Diese Menschen könnten sich auf der Demonstration infiziert haben. Dann gehen sie zurück in ihre Familien oder an ihre Arbeitsplätze, wo sie andere Personen anstecken können. Wer bei den derzeit hohen Inzidenz-Werten den Schutz der Gesundheit unterläuft, kann das Versammlungsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen.“
In
Fulda
hatte das Polizeipräsidium Osthessen Schiffmanns Show am Sonntag selbst beendet. Die Begründung: Die Polizisten hätten Teilnehmer „immer wieder auf die Einhaltung der erforderlichen Abstandsregeln“ und die Maskenpflicht hingewiesen. „Da diesen behördlichen Auflagen und der Aufforderung zum Teil nur zögerlich nachgekommen wurde, entschloss sich die Polizei die Veranstaltung aufzulösen.“
Einsatzleiter der Polizei Duisburg entschied sich gegen Maßnahmen
In
Duisburg
dagegen griffen weder Polizei noch Ordnungsamt ein, nicht mal verbal. Beide Behörden waren jeweils nur mit sehr wenigen Einsatzkräften vor Ort.
Die Polizei hatte die Versammlung und ihren symbolträchtigen Schauplatz genehmigt und drei Auflagen gemacht, wie Polizeisprecher Jonas Tepe am Dienstag erläuterte: Der Versammlungsleiter habe erstens 15 Minuten vor Beginn vor Ort sein müssen. „Zweitens: Er muss über Hinweise und Auflagen belehren. Drittens: Ein Mindestabstand von 1,5 Metern unter den Teilnehmern muss eingehalten werden.“
Weil unter anderem ganz offensichtlich gegen den dritten Punkt des „Auflagenbescheides“ verstoßen wurde, habe der Einsatzleiter der Polizei gegen 18.30 Uhr Maßnahmen wie eine Auflösung, Verlagerung oder Personalienfeststellung geprüft, so Tepe. Nach einer Abwägung habe sich der Einsatzleiter jedoch gegen die Maßnahmen entschieden.
Kräfte einer Hundertschaft hätten zur Verfügung gestanden
Kräfte einer Hundertschaft hätten zwar zur Verfügung gestanden. „Um die Personalien festzustellen oder die Versammlung aufzulösen, hätten die Einsatzkräfte die Menschen aber erst einmal zusammendrängen müssen. Das hätte jedoch zu erhebliche Gefahren – auch hinsichtlich des Infektionsschutzes – geführt“, erklärt der Sprecher, warum die Polizei nicht eingriff.
Da es sich bei der Unterschreitung des Mindestabstands um eine Ordnungswidrigkeit handelt, hätte generell aber die Möglichkeit bestanden, die Personalien aller Teilnehmer aufzunehmen, so Tepe: „Insbesondere vor dem Hintergrund des kurzen Versammlungsgeschehens wäre ein polizeiliches Einschreiten kontraproduktiv gewesen.“
Stadt Duisburg „bewertet Signalwirkung dennoch als negativ“
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Ein Sprecher der Stadtverwaltung verweist auf Anfrage schriftlich dann auch darauf, dass das Ordnungsamt sechs Mitarbeiter lediglich „unterstützend“ geschickt habe, die Einsatzleitung bei der Polizei lag und diese sich gegen die Auflösung der Veranstaltung entschieden habe.
Seine mit dem Krisenstab und der Stadtspitze abgestimmte Antwort endet mit einem Allgemeinplatz, der Interpretationsspielraum auch für eine indirekte Kritik an der Passivität der Polizei lässt: „Die Stadt Duisburg bewertet die Signalwirkung der Veranstaltung dennoch als negativ. Die Einhaltung der Abstandsregeln ist essenziell, um die Ausbreitung des Coronavirus zu stoppen.“
An die Abstandsregeln hielten sich Schiffmann und Eckert auch nach der etwa 75-minütigen Kundgebung nicht. Sie mischten sich ungestört für gemeinsame Fotos und ihre Fans, ohne Mund-Nase-Schutz, versteht sich.
>> DAS STEHT IN DER CORONA-SCHUTZVERORDNUNG NRW
■ Die
aktuelle Fassung der
Corona-Schutzverordnung NRW
schreibt den Behörden eine beherztere Durchsetzung des Infektionsschutzes vor.
■ In Paragraf 17 steht: „Die nach dem Landesrecht für die
Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
im Sinne des § 73 des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden sind gehalten, die Bestimmungen dieser Verordnung energisch, konsequent und, wo nötig, mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Dabei werden sie von der Polizei gemäß den allgemeinen Bestimmungen unterstützt.“